Autor: Thomas B. Schönmetz  •  Lesezeit 3 min.  

Achtsam Bewerten?

Heute geht es um das „Bewerten“. Bewertung ist einer der großen und wichtigen Bausteine in der Achtsamkeit. Achtsamkeit möchte uns dazu anhalten Dinge klar zu sehen – so wie sie sind – also emotionsfrei, frei von persönlichen Meinungen oder Vorurteilen. Aber was ist, wenn ich bei all der neutralen Betrachtung merke, dass etwas nicht stimmt? Ich meine wenn ich bspw. gravierende Systemfehler sehe oder mein Kopf dieses „es ist wie es ist“ nicht akzeptieren will.

Verrücktes Leben

Neulich bin ich mit einigen netten Menschen über das Thema „Bewerten“ gestolpert – also wo wir in unserem täglichen Leben überall bewerten oder bewertet werden. Und je mehr wir in dieses Thema eintauchten, desto verrückter erschienen uns manche Dinge, welche wir einfach so hinnehmen, weil sie so sind wie sie sind und weil sie schon lange so sind … oder so ähnlich.

Arbeitszeugnis

Der Beginn für unseren Meinungsaustausch war ein Arbeitszeugnis. Arbeitszeugnisse „müssen“ ja grundsätzlich gut sein. Und wenn sie nicht gut genug sind, dann finden wir als Hilfe in den Tiefen des Internets Anleitungen die da lauten: „Schlechtes Arbeitszeugnis: Bloß nicht akzeptieren!“. Dort ist u.a. auch zu lesen:

  • ein schlechtes Arbeitszeugnis bekommt im Auswahlverfahren ein großes Gewicht
  • es kann den Ausschlag geben, dass Sie die Stelle bekommen – oder nicht
  • ein gutes Arbeitszeugnis ist u.a. der wichtigste Bestandteil einer Bewerbung
  • der Erfolg einer Bewerbung hängt maßgeblich von einem guten Arbeitszeugnis ab

Weiterhin wird empfohlen, sich bei einem schlechten oder unpassenden Arbeitszeugnis so lange mit dem Arbeitgeber auseinander zu setzen bis es passt. Sollte es keine Einigung in der Bewertung und/oder im Wortlaut geben, so wird der direkte Gang zum Anwalt und zum Gericht empfohlen. Dort hat der Arbeitnehmern sogar gute Karten, denn er ist in der schwächeren Position.

Laut aktuellen Statistiken, welche sich mit Arbeitszeugnissen befassen, gibt es in Deutschland über 90% gute bis sehr gute Mitarbeiter … der Wahnsinn!?!

Blickwechsel

Doch nun der Blickwechsel – Kursänderung um 180 Grad.

Nun den Blick auf unsere Schulen. Dort ist das anders – dort bewerten wir nach Noten – in schonungsloser Offenheit! Wir sagen dem einzelnen Schüler, ob seine Leistungen gut oder schlecht sind – Punkt – Aus – Amen. Ja, ich weiß, dass es auch andere Schulen gibt, wo dies anderes gehandhabt wird und ich weiß dass mittlerweile auch schon mit Formulierungen statt Noten gearbeitet wird. Doch wir bleiben mal bei der breiten Masse unseres existenten Bildungssystems.

Nehmen wir mal folgendes Szenario: ein Kind bekommt ein schlechtes Zeugnis und ist enttäuscht. Und nun stellen wir uns mal vor, das Kind ginge zum Lehrer und würde über die Benotung verhandeln wollen: „Hallo, hallo Herr Lehrer, so akzeptiere ich „das Ding“ nicht, … da müssen sie schon noch nachbessern … ich hätte das gerne so und so“.

Falls dieser Austausch nicht zum Erfolg führen würde, müsste das Kind – rein logisch gesehen – gemeinsam mit den Eltern einen Anwalt konsultieren und die Sache evt. sogar vor Gericht verhandeln.

Das mag nun alles etwas verrückt klingen, doch wenn das Kind ein paar Jahre älter ist, darf es genau das tun!

Warum machen wir es dann so, wenn es danach eh völlig anders ist? Diese Frage lassen wir einfach mal stehen!

Wenn wir das zuvor genannte Bild der über 90% guten bis sehr guten Mitarbeiter in Deutschland spiegeln, so müssten doch … rein logisch gesehen auch über 90% aller Kinder und Jugendlichen gute bis sehr gute Schüler sein.

Die Realität ist anders!

Was ist nun unter dem Aspekt der achtsamen Betrachtung richtig oder falsch, gut oder schlecht, verzerrt oder scharf, wahr oder unwahr? Und … sollen wir das einfach so lassen?

Ich weiß, ich stelle hier „in stein gemeißelte“ Systeme auf den Kopf – doch genau dies sollten wir vielleicht öfter tun – gerade wenn wir von Achtsamkeit im Leben reden! Wenn sich Achtsamkeit im Leben mehr und mehr kultiviert, dann werden uns solche Widersprüchlichkeiten um so deutlicher.

Uuuups, da kommt mir eine spontane Idee: ein Symposion** (heute Symposium) zum Thema „Bewerten & bewertet werden – die Revolution durch achtsame Betrachtung„. Nein, ich möchte keine wissenschaftliche Konferenz, sondern das erstere (siehe unten)!

Lassen sie sich das Ganze mal durch den Kopf gehen … ein bisschen wenigstens. Denn wenn alle mal darüber nachdenken, sind wir schon ein gutes Stück weiter.

Thomas B. Schönmetz

**Quelle Wikipedia: Der altgriechische Ausdruck Symposion (griechisch sympósion; spätlateinisch symposium) steht sinngemäß für „gemeinsames, geselliges Trinken & philosophieren“. Aus der Bedeutung für gesellige Treffen hat sich später der Begriff Symposium (Pl. Symposien) für wissenschaftliche Konferenzen entwickelt … natürlich mit weniger Geselligkeit und weniger Alkohol.