Autor: Thomas B. Schönmetz  •  Lesezeit 6 min. 

Lassen sie uns gemeinsam auf den fahrenden Zug des Lebens aufspringen und ich erzähle ihnen eine Geschichte. Eine Geschichte, in welcher auch sie vorkommen könnten. Es geht um Beruf und um Veränderung. Im Speziellen ist hier die Bewerbung und das einhergehende Assessment gemeint.

Assessment-Center – Routinen lernen

Eine junge Frau (nennen wir sie Sabine) bewarb sich bei einem Unternehmen. Sie wollte sich beruflich verändern. Bereits in der Schule lernt man Vieles zum Thema „sich bewerben“. Wie schreibt man einen Lebenslauf, Gestaltung eines Anschreibens, Vorbereitungen für das persönliche Bewerbungsgespräch, Antworten auf diese oder jene Fragen … und so weiter.

Und dann? Dann macht man so seine Erfahrungen. Von Bewerbungsgespräch zu Bewerbungsgespräch wird man sicherer und routinierter. Routine stellt sich ein … Routine? Wikipedia definiert Routine so: „durch längere Erfahrung erworbene Fähigkeit, eine bestimmte Tätigkeit sehr sicher, schnell und überlegen auszuführen“.

Doch nun zu Sabine, die dieses Bewerbungsprozedere wieder einmal vor sich hatte. OK, dachte sie … Vieles habe ich ja schon … ist ja nicht die erste Bewerbung: Lebenslauf, Anschreiben, einige Jahre Berufserfahrung, Fortbildungen und gute Zeugnisse.

Routine-Check

Gesagt getan – alles wird auf den neusten Stand gebracht – alles wird auf aktuell geltende Kriterien abgeprüft – ein Streben nach Perfektion. Höchst konzentriert hat Sabine alle denkbaren Kriterien durchdacht, geprüft – Situationen gedanklich durchgespielt – bis zum Gipfel des Denkens, wo man sich sagen darf: „ich bin mir sicher … ich habe an alles gedacht“ … routinemäßig alles gecheckt. Ich bin fit für das Assessment-Center!

Vorbereitungs-Check

So weit so gut – Bewerbung abgeschickt – Einladung zum Gespräch bekommen. Jetzt steht dieser Termin an. Noch 3 Wochen Zeit – denkt sich Sabine. Weitere 3 Wochen des Nachdenkens und Grübelns über das eigene Leben, über die Vergangenheit und die Zukunft. Wie wird das werden? Kann ich im persönlichen Gespräch überzeugen? Was soll ich sagen? Was soll ich anziehen? Wie soll ich mich verhalten? Der 348ste Besuch dieser Firma im Internet. Habe ich alles gesehen? Was sollte ich mir merken? Was soll ich ansprechen? … etc. pp. Auch das ist jetzt alles auch schon irgendwie Routine.

Der Moment rückt näher

Der Termin rückt näher – die Aufregung steigt – es ist soweit – heute! Alles aus der Vergangenheit und der gedachten Zukunft wird heute zu dieser Routine, die nun beginnt.

Sabine betritt das Unternehmen, wird sehr höflich empfangen und gebeten im Meetingraum noch zu warten … es dauere noch ein paar Minuten. Die Tür zum Meetingraum wird ihr geöffnet … und da reißt der Routine-Film … eine Szene die nicht passt … Unerwartetes sprengt den Moment … die Explosion im „JETZT“.

Ein großer Hund … bääääääähm … mit allem gerechnet … an alles gedacht … aber doch nicht an einen Hund! Stresspegel steigt … Adrenalin wird produziert … das Herz schlägt schneller. Oh Gott, … was jetzt? Es kam noch ein höflicher suggestiver Satz der Empfangsdame: sie haben hoffentlich keine Angst vor Hunden.

Max – der Checker

Der „Max“ liegt nur da in der Ecke und will eh nichts von fremden Leuten, sagt die Empfangsdame. Die Meetingtüre schließt sich und der große Max will doch was. Er steht auf und geht zu Sabine … Max findet Sabine wohl interessant. Dem Max sind die Bewerbungsunterlagen „scheissegal“ … er stellt auch keine Fragen … er will betrachten, diese Person in Augenschein nehmen und er will eventuell gestreichelt werden … von Sabine … JETZT!!! Er setzt sich ganz frech neben sie, schaut sie an und lässt sich die Ohren kraulen.

Max – der Anker

Sabine ist zwischenzeitlich im Zentrum des „JETZT“ angekommen … in diesen Minuten des Wartens … gemeinsam mit Max. Max nimmt ihr die Aufregung … er schenkt ihr Ruhe … nur durch sein „Dasein“. Es ist eine Art Einladung, ebenfalls nur „hier zu sein“ … im Zentrum des „JETZT“. Er holt sie aus ihrer Vergangenheit, bremst ihre Zukunftsgedanken und beamt sie ins „JETZT“.

Max schaut sie immer wieder ruhig an, während er gelassen neben ihr sitzt und sich die Ohren kraulen lässt.

Die Tür zum Meetingraum geht wieder auf und der Chef samt Personalleiter betreten den Raum. Der Chef versucht Max in seine Ecke zu verweisen: „Max … gehst Du wohl in Deine Ecke und lässt Frau „S“ in Ruhe“. Max denkt nicht daran. Er will bei Sabine bleiben – er hat seine Wahl schon getroffen! Das Bewerbungsgespräch mit den Herren ist zwar anspruchsvoll, verläuft jedoch sehr harmonisch und ruhig.

Zwischendurch versucht der Chef immer wieder seinen Hund zu sich zu rufen, doch der will bei Sabine bleiben. Das Gespräch geht dem Ende zu und die Herren geben Sabine ein erstes gutes Feedback, bitten jedoch noch bis Freitag um Geduld, da es noch weitere Bewerber gibt. Die Herren begleiten Sabine noch bis zur Türe … Max der Hund natürlich auch … ungefragt. Max schenkt ihr noch einen Blick und Sabine krault ihn nochmal am Ohr … und am Freitag hatte sie die Stelle!

Die Explosion der Routine – die Überraschung des Moments?

Machen wir uns nicht allzu oft Gedanken zu scheinbar heiklen Situationen im Leben – Gedanken zu diesem „hätte ich doch“ und „was-wäre-wenn“? Wir versuchen allzu oft die Zukunft zu skizzieren … ganz exakt … bauen uns Routinen aus der Vergangenheit, welche uns sicher führen sollen und dann fegt das Leben in einem Moment alles Gedachte und Geplante vom Tisch … von einem Moment zum nächsten ist alles anders und die Welt steht auf dem Kopf … und du darfst eintauchen in dieses JETZT … GANZ ICH SEIN … DIE SITUATION ANNEHMEN … DIE SITUATION ERLEBEN … achtsam spüren und sehen, was daraus entstehen kann.

Und der Hund Max? Der ist eh achtsam … er hat nichts anderes gelernt!

Liebe Leserinnen und Leser … beim Planen also bitte immer noch Raum für die Überraschungen des Lebens lassen.

Thomas B. Schönmetz