Autorin: Susanne Burkhardt  •  Lesezeit 5 Minuten  • 

„There is nothing outside of us. It`s all in us.” Yoghi Bhajan

Was für aussagekräftige Worte – oder doch nicht?

Gerne erinnere ich mich an eine kleine Wanderung mit meiner 19-jährigen Tochter, kurz vor ihrer bevorstehenden Abreise nach Fuerteventura. Sechs Wochen Werkstudentenjob im Ausland. Wie aufregend. Mein Bedürfnis war, mit ihr einen Tag gemeinsam zu verbringen – sie erfreulicherweise auch.

Der Blick von oben

Unser Ziel war ein Aussichtspunkt auf 732 Metern. Wir nutzten den Anstieg für ausgiebige und auch tiefer gehende Gespräche. Oben angekommen, bot sich uns ein unfassbar schöner Ausblick. Neben meiner Tochter stehend, mit dem wunderschönen Weitblick. Ich spürte das Bedürfnis, diesen Moment intensiv in mir aufzusaugen und atmete ganz bewusst tief ein und aus. Eine kleine Auszeit für mich. Mein Atem als Anker, um ganz bei mir zu sein und wach zu sein, für das, was gerade ist. Körper-Gedanke-Herz.

Blickweisen

Meine Tochter neben mir stehend, fragte mich, was ich da mache. Sie schaute mich fast schon etwas verwundert an. So kamen wir auf das Thema Achtsamkeit. Sie könne auch ohne dieses bewusste Atmen und einer kontrollierten Wachheit den Moment genießen: „ich brauche das nicht“, meinte sie.  Was meinte sie mit „das“? Den Kontakt zu mir selbst, zu meinem Körper? Einfach das Außen genießen, mit dem Geist, dem Herzen, ohne darauf zu achten, was mein Körper mir in dem Moment sagen möchte?

Unschöne Momente

Dann war da dieser unschöne Augenblick, der mich mit „Achtsamkeit“ in Berührung brachte. Eine Todesanzeige von einer jungen Frau – Anfang 30 – die ihr Leben beendet hatte. Daneben stand eine Anzeige von ihren Freunden und Freundinnen. Anscheinend depressiv. Die Frau kannte ich nicht. Dennoch war ich zutiefst berührt und bestürzt. Da waren auf einmal die vielen Erinnerungen an die Menschen, Jugendlichen, die sich, aus welchen Beweggründen auch immer, zu einem Suizid entschlossen hatten. Das gab es schon immer – warum? Was passiert da? Was müsste passieren, dass es nicht passiert? Dann fällt mir noch ein Therapie-Kind ein. Mit neun Jahren die Worte, es wolle nicht mehr leben!

Systemzwang

  • Schule
  • Berufsalltag
  • Familie
  • Partnerschaft
  • Freundeskreis
  • Ökologie

Fallen Menschen in Systemfallen und wenn ja, wie kommen sie wieder aus der Falle heraus? Besser noch, wie kommt man gar nicht erst hinein? Das Leben kann nicht immer nur fließen. So sehr wir uns es auch wünschen. Es gibt sie, die Seelenknoten und Lebensknoten. Mal mehr, mal weniger, größere und kleinere. Stolpersteine sind sehr wertvoll, denn ohne sie wäre kein Lernen und Wachsen möglich. Entscheidend ist, dass ich das nötige Werkzeug habe, um wieder in den Fluss zu kommen. Jeder ist der Experte seiner Probleme.

Wenn ich nicht gut bei mir sein kann

„It`s all in us“, würde Yoghi Bhajan sagen. Nur, was ist, wenn der Kontakt zu mir verloren gegangen ist? Was ist, wenn ich nicht gut bei mir sein kann, sondern mir angewöhnt habe, mehr im Außen zu sein. Das Denken, ich müsse immer etwas leisten um gesehen und anerkannt zu werden. Ohne mit meinem Körper und Herzen Rücksprache zu halten, was er braucht, gut für ihn und für mich ist. Der Geist, die Gedanken sind immer präsent. Erst dann, wenn die Körpersignale überdeutlich werden, der Körper in einer Weise reagiert, so das jegliches Wohlfühlen nicht mehr möglich macht, dann handle ich. Braucht es doch die bewusste innere Kommunikation mit meinem Körper? Die Wachheit, Bewusstheit, was ist gerade, um in Kontakt mit mir zu bleiben?

Achtsamkeit – ein langer Weg

Achtsamkeit gelingt nicht von heute auf morgen. Die Bereitschaft, sich auf seinen Geist, sein Herz und seinen Körper einzulassen, ist nicht immer vorhanden. Die Fähigkeit dazu ist in uns – das sehe ich auch so. Eine stetige achtsame Praxis ist eine sehr große Herausforderung. Je mehr ich Achtsamkeit praktiziere, auch im Umgang mit meinem Umfeld, umso mehr kann sie zu einem wertvollen Werkzeug werden. Sie kann helfen Seelenknoten zu erkennen, zu lockern und zu lösen. Auch um zu spüren, was ich brauche oder dass ich jemanden brauche, der mir hilft, den Stolperstein zu überwinden – rechtzeitig, bevor es zu spät ist.

„It´s all in us.”

Susanne Burkhardt