Autor: Thomas B. Schönmetz  •  Lesezeit 6 min. 

Am Wochenende starb John Workaholic.

Nach nur 45 Jahren verstarb vergangenes Wochenende John Workaholic. Sein Tod kam überraschend – oder doch nicht?

So kannte man ihn

Früh morgens aus dem Bett und in seinem Kopf ging es los: Projekte, Termine, Todo’s, Emails … usw. Im Bad war er schon beim Frühstück und beim Frühstück schon im Büro. Er war ein wahrer Meister seines SOC (Self-Optimization-Concepts). John war ein Olympionike in allen Business-Disziplinen. Er war ein Flugmeilen-Sammler, ein High-Performer, ein Two-Nighter … er war ein wahrer Tomorrow-Man – ein Business-Triathlet.

Er war nie wirklich hier

Er war nie da. John war immer einen Schritt weiter – diese Haltung war sein Grundsatz. Ob im Auto, im Zug oder im Flugzeug. Während die feine Stimme der Flugbegleiterin über das Leben, die Sicherheit und Hilfe sprach, war er schon in Hamburg im Meeting. Er tauschte sich schon mit den zukünftigen Partner über Projekte aus, er sah schon Zahlen, die noch nicht existierten und er kalkulierte schon mit Gewinnen der Zukunft.

Busy planning the future

Mit John Lennons Zitat: „life is what happens, while you are busy planning the future“ konnte er nichts anfangen.
Er lebte tief in dieser Zukunft, bzw. er holte die Zukunft in das „Jetzt“. Das „Jetzt“ musste Platz machen, weil er im „Jetzt“ wenig Sinn sah, keinen Gestaltungsraum. Sein Spruch war immer: „nichts ist so alt als die Zeitung von heute – gestalten kann man nur die Zukunft“ – das war sein Credo. Das Morgen machen! Alles andere war für ihn Unsinn.

Up to the end – mit Vollgas zum Ende

Sein Leben lief im Turbomodus: wenig Schlafen, viel Arbeiten, wenig Schlafen, viel Arbeiten, wenig Schlafen … und dann noch mehr Arbeiten. Dazwischen Essen und manchmal gab es auch diese trostlosen, langweiligen Urlaubstage, in denen nichts zu tun war. Bis zu diesem Morgen … diesem besonderen Morgen.

Es war wieder einmal sehr früh am Morgen, als er mit hoher Drehzahl aus seinem Bad in die Küche hetzte. Dort angekommen, die Kaffeemaschine lief bereits, das Gedanken-Karussell drehte sich mit Lichtgeschwindigkeit … plötzlich … alles stoppte … alles hielt an … von 250km/h auf Null – ohne Bremsweg. Alles reduzierte sich und gab diesem stechenden Schmerz immer mehr Raum. Ein stechender Schmerz der von seinem Herzen kam. Alles war „jetzt“ auf diesen Schmerz focusiert – auf dieses Spüren seines Körpers.

Was ein schöner Fliesenboden

Seine Beide wurden weich, der Blick trüb und er sank zu Boden. Wie gelähmt lag er dort – beherrscht vom Spüren seines Herzens. Jeden einzelnen Herzschlag konnte er jetzt wahrnehmen – immer langsamer werdend: Bum-Bum … Bum-Bum … Bum-Bum … und das „Jetzt“ zwischen den Schlägen wurde immer grösser und grösser.

Und wie er so am Boden lag, bemerkte er nach Jahren zum erstem Mal, wie schön doch diese Marmorierungen seiner Bodenfliesen in der Küche sind. Er hatte dies noch nie so richtig bemerkt oder wahrgenommen. Doch „Jetzt“ … mit dem Auge so nahe dran … wie schön doch diese Fliesen sind … wie schön … Bum-Bum … Bum-Bum … Bum-Bum. Und so durfte John Workaholic gehen … mit visuellen Eindrücken seiner Fliesen, dem Spüren seines Körpers und der überwältigenden Wahrnehmung dieses „JETZT“.

Sie sollten ihre Bodenfliesen betrachten

Eines ist klar: John Workaholic hätte natürlich genauso gut eine Frau sein können. Und Sie? Sie sollten sich heute unbedingt noch ihre Bodenfliesen in der Küche ansehen … oder was immer dort den Boden bedeckt.

Thomas B. Schönmetz