Autorin: Susanne Burkhardt  • Lesezeit 6 Minuten

Sie blüht nicht – „Wenn eine Blume nicht blüht, verbessert man die Bedingungen unter denen sie wächst, nicht die Blume“. (Alexander den Heijer).

Dieser schöne Gedanke von Alexander den Heijer hat mich sehr berührt. Ist das nur eine Intuition die zwischendurch kurz aufpoppt? Steckt eine grundlegende Botschaft dahinter? Wir alle haben und spüren diese Momente, in denen wir aufblühen. Wir brauchen dieses Erleben auch, um uns ein Wohlfühlen zu ermöglichen. Wohlbefinden versorgt uns mit spürbarer Energie.

Alexander den Heijer betrachtet die Blume, die nicht blüht. Es gibt sie und die Menschen, die nicht aufblühen. Sie zeigen all die ernüchternden Gefühle wie Unzufriedenheit, Unruhe, Traurigkeit, Selbstzweifel, Verzweiflung und Erschöpfung.

Diese Gefühle nehme ich mit dem Beginn des neuen Schuljahres wieder zunehmend bei einem großen Teil meiner Therapie-Kinder war. Nicht nur die Kleinen, auch die Großen, die Eltern und die Mamas. Sie lassen mich ganz deutlich spüren, dass ihre Ressourcen zunehmend knapp werden. In den Ferien war noch alles wunderbar entspannt. Jetzt geht der Druck und damit der Stress wieder los.

Stress blockiert

Stress blockiert, bremst aus. Den Zugang zu meinem Langzeitspeicher kann ich unter Stress nicht finden und gelerntes Wissen nicht mehr abrufen. Ich bin so sehr am Außen und den Erwartungen die an mich gestellt werden orientiert, dass der Kontakt zu mir selbst verloren geht. Sie blüht nicht!

Der Teufelskreis

Die Kleinen bemühen sich und wollen doch so gerne. Sie strengen sich an und trotzdem gelingt es nicht – dieses Aufblühen, weil die gewünschten Erfolgserlebnisse ausbleiben. Dann kommt der Punkt der Resignation und des Selbstzweifels in die eigenen Fähigkeiten. Sie können und wollen dann auch nicht mehr. Ein Teufelskreis beginnt.

Die Eltern erleben ihre Kinder in diesem Spannungsfeld und nehmen auch die Stresssituation sehr deutlich wahr. Selbst ein Teil des Spannungsfeldes, zieht es die Eltern mit in die Abwärtsspirale. Die Eltern möchten so sehr, dass es ihren Kindern gut geht und sie glücklich sind. Wenn sie das nicht sind, leiden die Eltern mit.

Einfach schütteln?

Da gibt es die Momente, in denen man das Kind schütteln möchte wie eine Dose mit verklebtem Inhalt, damit sich alles wieder löst und das, was da ist, wieder nutzbar wird. Es ist doch alles da! Wenn das Kind selbst schon all seine Ressourcen verpufft hat, benötigt es die liebevolle Unterstützung von außen. Achtsamkeit kann einen Ausstieg aus der Abwärtsspirale ermöglichen. Mitgefühl für mein Kind und Fürsorge für mich selbst.

Wenn wir uns Zeit nehmen unsere Kinder zu sehen, bewusst, ihnen zuhören, zu spüren was ihre Bedürfnisse sind, dann bekommen wir eine Idee, wie wir die Bedingungen verändern können, damit ein Wohlfühlen wieder möglich wird. Auch für die Eltern selbst.

Achtsamkeitsmuskel/n

Es ist eine große Herausforderung, sich in dem ganzen Trubel auf sich selbst und seinen Körper zu konzentrieren. Den Körper zu spüren, die Gedanken zu beobachten, die Stille wahrzunehmen und im Augenblick präsent zu sein. Je häufiger ich den Achtsamkeitsmuskel gebrauche, umso mehr ermöglicht er das Gewahrsein für das was ist.

Offen zu sein für das, was ich brauche, um in stürmischen Zeiten ein Wohlbefinden herbeizuführen. Vielleicht sind es drei tiefe Atemzüge zu Beginn einer Hausaufgabensituation, gemeinsam mit meinem Kind. Vielleicht ist es das bewusste Zuhören, wie es meinem Kind heute in der Schule ergangen ist? Was macht dieses veränderte Tun mit mir? Hineinspüren in meinen Körper, ohne nach einer Anspannung oder dem gewohnten Pulsieren zu suchen. Ich nehme mich wahr, meine reaktiven Impulse und ich nehme das Verhalten meines Kindes wahr.

Vielleicht genügt es auch schon, wenn ich meine Worte mit einer freundlichen und wohlwollenden Stimme formuliere oder andere Worte verwende, die die Motivation ankurbeln und weniger die Diskussion. Vielleicht braucht mein Kind heute nur ein verständnisvolles Annehmen, wie es sich in seiner Situation fühlt. Sie blüht nicht!

Aufmunterung – reicht das?

Die Kleinen agieren überwiegend emotional gesteuert, weit entfernt von dem Verstand. Sie können nicht rational reagieren und auch nicht verstehen, wenn die Mama aufmunternd sagt:

„Ach, ist doch alles nicht so schlimm. Du schaffst das schon. So schwer ist das jetzt wirklich nicht. Du musst dich nur mal richtig konzentrieren.“

Aber wenn sich doch grad alles ganz furchtbar und schwierig und unerreichbar für das Kind anfühlt, dann kann es mit der wohlwollenden Aufmunterung von den Eltern nicht mitgehen. Wenn ich stattdessen achtsam den Hilferuf erkenne und mich mit meinem Kind verbinde, Verständnis und Mitgefühl zeigen kann, ist das ein Ankommen auf beiden Seiten.

Von Moment zu Moment, in Beziehung zu mir selbst und zu meinem Kind. Vielleicht ist da ein kleiner Lichtblick den ich achtsam wahrnehme, die erste kleine Knospe, die es braucht, um ein Aufblühen zu ermöglichen.

Susanne Burkhardt