Autor: Thomas Schönmetz  • Lesezeit 6 Minuten

Klarer Blick – klare Gedanken. Das ist doch genau das, was wir uns wünschen – oder nicht? Doch wie kommen wir zu solchen Fähigkeiten? Zunächst sollten wir uns einmal die Frage stellen, was ein „klarer Blick“ überhaupt ist und wie es dann zu klaren Gedanken kommen kann.

Sokrates

Beginnen wir doch mal mit einer Weisheit von Sokrates – die „3 Siebe“.

Ein Mann rannte auf Sokrates zu und sagte: „Sokrates, Sokrates! Weißt Du, was ich gerade über einen deiner Schüler gehört habe?“

„Warte einen Moment“, sagte der Philosoph. „Bevor Du mir davon erzählst, möchte ich, dass du einen kleinen Test machst, den Test der „drei Siebe“.“

„Die drei Siebe?“ fragte er.

„Ja. Bevor du aussprichst was du sagen willst, prüfe es. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast Du absolut sichergestellt, dass es wahr ist, was du mir erzählen willst?“

„Äh, naja, nein … ich hab eigentlich nur davon gehört.“

„Gut. Du weißt also nicht, ob es wahr ist oder nicht. Lass uns zum zweiten Test kommen. Das Sieb der Güte. Ist das, was du mir über meinen Schüler erzählen willst, etwas Gutes?“

„Nein, im Gegenteil.“

„Aha, du willst mir also etwas Schlechtes über meinen Schüler erzählen, obwohl du nicht weißt, ob es wahr ist.“

Der Mann zuckte die Schultern. Er wirkte inzwischen etwas betreten.

Sokrates fuhr fort: „Vielleicht besteht das, was du mir sagen willst den dritten Test. Das Sieb der Nützlichkeit. Ist das, was du mir mitteilen möchtest, hilfreich für mich?“

„Also … nein, nicht wirklich.“

„Wenn es also weder wahr ist, noch gut oder zumindest nützlich, warum solltest du es mir dann überhaupt erzählen?“

Der Mann verstummte, er schämte sich und ging fort. Er hatte verstanden. Klarer Blick

Ich denke, dass diese kleine Geschichte von Sokrates schon sehr viel aussagt. Nur all zu oft „schnappen“ wir irgendwelche Informationen auf glauben diesen und tragen sie einfach weiter, ohne nur eine Sekunde daran zu zweifeln, ob sie denn überhaupt wahr sind.

Glaubhaftigkeit durch schöne Gewänder

Natürlich sind Informationen oft in sehr schöne Gewänder verpackt. Bspw. schreibt ein Autor einen Artikel über „attraktive Geldanlagen mit 8% Zinsen“, eine bekannte Tageszeitung verzaubert unsere Wahrnehmung mit einer sensationsträchtigen Überschrift wie, „Wachsender Terror in Deutschland“ und versieht das ganze mit einem kleinen Fragezeichen. Eine andere Medienquelle lässt verlauten, dass die Anzahl der Flugzeugabstürze zugenommen hat. Und oft ist es auch nur eine Information von einem Menschen den wir kennen. Und dieser Mensch erzählt uns etwas über einen anderen Menschen, den wir ebenfalls kennen.

Informationen drücken Knöpfe

Und was passiert? Die Informationen erreichen uns, treffen uns vielleicht emotional, wir sind berührt, schockiert, besorgt, begeistert … oder, oder, oder. In uns entsteht unbewusst ein Bild, welches wir dann nur zu gern „unkontrolliert“ weitertragen – so wie es in der Geschichte mit Sokrates geschah.

VogelsterbenVogelsterben – ein klarer Blick

Und jetzt mal ganz ehrlich. Wann haben sie zuletzt Informationen auf Wahrheitsgehalt geprüft? Oder wie oft prüfen Sie Informationen im Allgemeinen auf Wahrheitsgehalt? Nehmen wir hier als Beispiel die stetige Diskussion über Windräder und deren Gefahr für die Vogelwelt. Es heißt immer wieder, dass jedes Jahr bis zu 100.000 Vögel durch Windräder sterben – zweifelsfrei richtig und bedauerlich. Und es gab auch schon kommunale Entscheidungen gegen die Errichtung von Windrädern, genau wegen dem genannten Sachverhalt! Doch nur wenige kommen auf die Idee, diese Zahl in ein Verhältnis zu setzen. Um langwierige Ausführungen zu vermeiden, zeige ich ihnen einfach eine Übersicht, die sich aus Untersuchungen von Naturschutzverbänden zusammenfügt. Ich denke es braucht keine weiteren Erläuterungen mehr.

Einkommen mit Kritik

Vor Kurzen schickte mir eine gute Bekannte einen sehr kritischen Artikel der FAZ zum Thema Achtsamkeit. Inhaltlich war der Artikel gespickt mit Kritik über Achtsamkeit. Kurzum … mich traf der Artikel natürlich, doch ich machte mir Gedanken darüber, warum der Autor das „überhaupt“ so schreibt. Ich recherchierte etwas und entdeckte schnell, dass der Autor eigentlich „nur“ kritische Artikel schreibt. Dann nahm ich noch mit ihm Kontakt auf und er sagte mir frei heraus, dass er vom Schreiben lebt und ja irgendetwas schreiben müsse. In diesem Falle kam im die Thematik Achtsamkeit sehr gelegen und so kam es zu diesem kritischen Artikel. Er selbst hatte keinerlei Erfahrung mit Achtsamkeit – aber er schrieb kritisch darüber – Punkt!

„Neutral“ heißt nicht „gleichgültig“

Ein großer Teil der Achtsamkeitspraxis ist die Übung des „neutralen Betrachtens“ – dies hat nichts mit Gleichgültigkeit zu tun! Je neutraler und distanzierter ich betrachte, desto klarer kann ich denken. Und aus dieser wertungsfreien Mischung aus Aufnahme & Haltung heraus, kann ich Bilder entstehen lassen, die der Wahrheit oder der Wirklichkeit wesentlich näher kommen als „unkontrollierte und emotionsverseuchte“ Phantasiebilder. Klarer Blick

Natürlich dürfen bei der Achtsamkeit Emotionen sein – kein Thema – doch ich gehe anders damit um. Ich lasse mich nicht von ihnen einlullen und beherrschen, sondern nehme sie bewusst wahr – so habe ich auch einen wirklichen Nutzen von meinen Emotionen. Wenn es bspw. um das Gefühl der Wut geht, ist es besser schon früh zu erkennen, dass in mir eine Wut aufsteigt und sich breit macht, als mich von ihr beherrschen zu lassen und mich dann zu unkontrollierten Aktivitäten hinreißen lasse.

Und hier noch die Auflösung zu oben – meine Aussagen beziehen sich auf Realdaten von „Statista“: Klarer Blick

  • Flugzeugabstürze haben zugenommen
    Die Anzahl von Flugzeugabstürzen hat über die letzten 20 Jahre gravierend abgenommen. Wenn ich jedoch nur 3 Jahre herauspicke, ja dann hat sie in diesem Zeitfenster von 3 Jahren leicht zugenommen … dies jedoch in einer lächerlichen Verhältnismäßigkeit zur Gesamtzeit.
  • Wachsender Terror in Deutschland
    Der Terror in Deutschland, wie auch weltweit, hat die letzten 20 Jahre deutlich abgenommen. Doch ich erinnere an das kleine Fragezeichen, welches man zu oft nicht wahr nimmt.
  • Attraktive Geldanlagen
    Schauen sie sich solche Angebote einfach ganz genau an. Vielleicht entdecken sie ja sehr schnell, mit welch immensen Risiken diese angebotene Geldanlage verbunden ist. Und so gesellt sich dann schnell zu dem Attribut „attraktiv“ das Attribut „hochriskant“.

Klarheit verschaffen

Kurzum … versuchen Sie es … ab heute … ab jetzt! Prüfen sie doch einfach mal die eine oder andere Info auf ihren Wahrheitsgehalt … fangen sie an nachzufragen, bspw. sie fragen einen Freund: „wo hast du diese Info denn her?“ Sie werden staunen wie klar die Welt wird.

Seien Sie achtsam!

Thomas Schönmetz