Autorin: Antje Künstle  •  Lesezeit: 5 Minuten

Ein Thema, das in keiner Zeit so gut passt wie in der (Vor-)Weihnachtszeit: Erwartungen haben. Es stehen uns festliche Tage bevor. Man hat ein paar Tage Urlaub oder frei, man trifft sich mit Freunden, Kollegen oder der Familie zum Essen, auf dem Weihnachtsmarkt, beim Gottesdienst, auf einem Konzert, zum Geschenke austauschen, man plant Sylvester feiern…etc. und das alles in glitzernder Atmosphäre, voll bepackt mit Erwartungen.

Es kommt anders

Doch was, wenn es anders kommt als erwartet? Es regnet statt zu schneien, der Weihnachtsmarkt ist überlaufen und festliche Stimmung kommt nicht auf weil an der Würstchenbude Popmusik aus dem Lautsprecher schallt. Die Planung des Festmenüs ist anstrengend, weil jeder mitreden will, und die Feiertage sind alles andere als besinnlich, weil man das Haus voller Verwandtschaft hat!

Hinterfragen

Häufig ist diese Zeit randvoll gesteckt mit Erwartungen. Und hier lohnt es sich, genau zu hinterfragen: welche Erwartungen habe ich an das Fest, meine Familie, Freunde und an mich? Es macht durchaus Sinn, sich das mal aufzuschreiben, damit es einem bewusst wird.

Erkennen

Wenn man die Erwartungen dann kennt, kann man sich fragen: woher kommen sie eigentlich? Basieren sie auf Kindheits- Erfahrungen oder auf Gewohnheiten – so haben wir das schon immer gemacht? Ist die Ursache der Erwartungen in Wirklichkeit Angst oder der Versuch alles unter Kontrolle zu haben? Oder kommt die Erwartung aus einem Bild, das uns die Medien verkaufen? Auch die Erwartungen an mich selbst: sind die berechtigt oder sollte ich meine Ansprüche etwas herunterschrauben? Erwartungen haben

Ent-Täuschung

Und ich finde auch wichtig zu reflektieren, dass es anderen genauso geht. Jeder hat seine eigenen Erwartungen an diese Zeit. Dass die sich alle genauso erfüllen, ist fast schon utopisch. Das Gemeine an festen Erwartungen ist, dass wir nicht mehr überrascht werden, dafür umso eher enttäuscht. Und das Wort Ent-Täuschung sagt es bereits: eine feste Erwartung ist nichts als eine Täuschung. Ich stell mir ein perfektes Bild (z.B. vom Heiligen Abend) vor. Jetzt deckt sich der tatsächliche Ablauf nicht ganz mit dieser Vorstellung, und schon ist das Bild zerstört. Gerade so, als ob man über ein wunderschönes Bild wahllos drüber gemalt hätte.

Reset – einfach auf Null

Wie praktisch wäre es doch, wenn man seine Leinwand immer wieder ganz weiß machen könnte. Ein jungfräuliches Blatt Papier – und es darf das drauf, was eben geschieht. Dann entsteht vielleicht nicht genau das Bild, das wir im Kopf hatten. Aber wenn wir neugierig und offen sind, können wir das neue Bild auch schön finden, weil es nämlich das echte Leben wiederspiegelt und nicht eine fiktive Erwartung aus unserem Kopf.

Die achtsame Prüfung

Also ganz achtsam vor jeder Verabredung, vor jedem Termin, oder Festlichkeit prüfen: welche Erwartungen habe ich hierzu? Wie sehr halte ich daran fest, dass sie sich erfüllen? Kann ich meine Leinwand weiß machen und mich überraschen lassen, welches Bild entsteht? Wie offen bin ich für das was tatsächlich geschieht?

Wünsche ja – dann aber nur …

Und was ist mit Wünschen? Aus meiner Sicht gibt es nur eine Art von Wünschen. Das sind echte Herzenswünsche, die aus dem Herzen kommen und uns mit tiefer Freude erfüllen. Alles andere, was nicht aus dem Herzen entspringt, also aus dem Verstand oder Ego heraus entsteht, sind nur als Wunsch formulierte Erwartungen. Erwartungen haben

Maria hatte auch Erwartungen

Übrigens, Maria war auch in froher Erwartung – auf Ihr Kind. Sie wurde nicht enttäuscht. Vermutlich, weil sie sich aus vollem Herzen darauf gefreut hat.

Ich wünsche allen Lesern und Mitschreibern eine weiße Leinwand. Mögen wir achtsam, neugierig und voller Freude im Herzen bleiben!

Antje Künstle