Autorin: Antje Künstle • Dauer: 5 Minuten  auch als Podcast •


Wirklich sehr wichtig – Die Gedanken drehen sich nur um eins: schaff ich diese Prüfung oder das Vorstellungsgespräch oder nicht? Dabei machen sich deutlich Stress-Symptome bemerkbar: Herzklopfen, Schweißausbrüche, Übelkeit, mangelhafte Konzentration. Der Alltag ist kaum noch zu bewältigen, er ist nur noch lästig, denn diese Prüfung ist zu wichtig!

Bekannte Szenarien

Ich glaube, dieses Szenario kennen wir alle. Die meisten aus der Schul-, Lehr- oder Studienzeit. Danach atmet man meistens auf und fragt sich, wie man nur so verrückt sein konnte. Und ja, man war auf eine Art „ver-rückt“, denn die Prioritäten hatten sich komplett verschoben. Wenn das zeitweise der Fall ist, wie bei einer Prüfung, mag das in Ordnung sein. Es reguliert sich danach oft wieder von selbst. Wirklich sehr wichtig

Doch es passiert oft unbewusst das ganze Leben hindurch. Immer wieder setzen wir bestimmte Ereignisse oder Menschen auf unsere Prioritätenliste soweit nach oben, dass alles andere im Vergleich dazu unwichtig oder sogar lästig wird.

Es geht mir hier nicht darum zu sagen, ihr Job, ihre Kinder, ihr Partner, ihr Haus, ihr geplantes Projekt usw., wären nicht wichtig oder ernst zu nehmen. Natürlich geben wir alle unser Bestes und sind mit alldem sehr verbunden. Aber oft erkennen wir nicht rechtzeitig, wenn sich der Regler so verschiebt, dass etwas aus der Balance gerät. Da wird der Rückruf vom Freund so wichtig, dass der ganze Tag im Eimer ist, wenn er mal nicht zurückruft. Oder man fällt in ein tiefes Loch, wenn man diesen einen Job nicht gekriegt hat. Oder man vernachlässigt gute Freunde, weil man sich nur noch auf die Karriere konzentriert. Wirklich sehr wichtig

Abwertung

Was damit gemeint ist? Wenn eine Sache oder Person so „überwichtig“ wird, dann wertet man automatisch alles andere ab. Und das sorgt für ein Ungleichgewicht im Leben. Dann kann man sich gar nicht mehr an den Dingen und Menschen im Leben freuen, weil man sich zu sehr auf „das Eine“ fokussiert und alles andere ausblendet. Dann kontrolliert dich das.

Dieses eine Spielzeug

Das ist ein bisschen vergleichbar mit einem Kind, das ein bestimmtes Spielzeug will. Auch wenn dieses Spielzeug – neutral gesehen – nicht besser oder besonderer ist als andere, es gibt garantiert ein großes Drama, wenn es eben dieses eine Spielzeug nicht bekommt. Und es lässt sich dann auch nicht mit all den anderen Spielzeugen trösten, die es bereits hat und mit denen es bisher gern gespielt hat.

Immer wenn sich im Alltag ein Drama auftut, weil etwas zu wichtig geworden ist, frag ich mich: „warum ist das jetzt so wichtig? Und ist es das wirklich??? Was ist damit in einem Jahr? Wird mir das da auch noch so wichtig sein? Und was oder wen habe ich herabgesetzt, um dem mehr Bedeutung zu geben?“ Wirklich sehr wichtig

Emotions-Dominanz

Auch ein sehr eindrückliches Beispiel hierfür ist das verliebt sein. Bei frisch Verliebten setzt der Verstand aus, sagt man. Aber das stimmt nicht ganz. Der Verstand wird nur vollständig dominiert von der einen Sache. Es ist für nichts anderes mehr Platz. Das kann auf der einen Seite schön sein, wenn man Schmetterlinge im Bauch hat. Aber alles andere läuft dann auf Sparflamme, weil man seine ganze Aufmerksamkeit nur auf diese eine Person richtet.

Dabei verlieren wir das aus den Augen, was elementar ist und wofür wir eigentlich dankbar sein können. Wenn wir eine Sache zu wichtig nehmen, geht die Leichtigkeit verloren, mit der wir all den unterschiedlichen Dingen und Menschen unseres Lebens begegnen können. wirklich sehr wichtig

Achtsam betrachtet

Achtsamkeit ist ein Werkzeug, das uns dabei immer wieder hilft, genau hinzuschauen, was Jetzt gerade ist. Und so kann man leichter erkennen, wenn etwas aus der Balance geraten ist. Und manchmal hilft allein diese Erkenntnis, alles wieder in die richtige Spur zu setzen. Sich auf das Wesentliche konzentrieren heißt: das tun, was dem eigenem Wesenskern entspricht, ohne dabei den Blick für’s große Ganze zu verlieren.

Ihre Antje Künstle