Autorin: Susanne Schönmetz • Dauer: 6 Minuten  


Achtsame Begegnung – Heute möchte ich über meine Erfahrungen während meiner Thai Yoga Ausbildung berichten.

Thai Yoga ist eine Symbiose aus Yoga und Massage. Ursprünglich wurde Thai Yoga vom indischen Arzt Jivaka Kumar Bhaccha vor mehr als 2500 Jahren begründet und steht unter starkem Einfluss von Yoga und Ayurveda. Asokananda war der erste Westler, der über Thai-Yoga-Massage geforscht und geschrieben hat und die Praxis von Meditation, Yoga und Thai-Yoga-Massage zusammenbrachte. Achtsame Begegnung

In Thailand hat die die traditionelle Thai-Massage das Motto „kein Schmerz, kein Gewinn“. Doch ich durfte ein Thai Yoga kennenlernen, das zu jeder Zeit angenehm war. Ich wurde mit Sanftmut und liebevoller Güte berührt und durfte erfahren wie sich Grenzen auflösen und Entspannung, Ruhe und Loslassen geschieht. Ich versuche meine Erfahrungen zu beschreiben.

Ich liege

Ich liege vollständig bekleidet auf einer weichen Bodenmatte auf dem Rücken und mache es mir so bequem wie möglich. Im Hintergrund läuft leise Musik. Zu meinen Füßen sitzt meine Massagepartnerin. Ich nenne sie hier stellvertretend für all die lieben Partnerinnen Eva. Es dauert ein paar Augenblicke bis ich Evas Hände auf meinen Füßen spüre. Ganz sanft, noch ganz leicht spüre ich die Verbindung zwischen ihr und mir. Die Berührung bringt mich sofort in den Moment, in den gelebten Augenblick, in das Hier und Jetzt. Ich möchte keinen Augenblick verpassen, möchte jede Berührung wahrnehmen. Ich bin ganz aufmerksam und entfalte meinen inneren Beobachter. Achtsame Begegnung

Führen lassen

Eva widmet sich ausgiebig meinem ganzen Körper. In Rückenlage, Seitenlage, Bauchlage und im Sitzen. Sie führt mich in Yogastellungen. Sie streckt und dehnt, drückt, wobbelt, schaukelt und schüttelt meinen Körper und ich spüre jede Einzelheit. Es ist ein Wechsel zwischen Stille und Dynamik, zwischen Leichtigkeit und Druck.

Ich selbst muss nichts tun, einfach nur sein. Doch ich erkenne, dass mir das Loslassen nicht ganz leichtfällt. Manches Mal möchte ich mithelfen, die Kontrolle übernehmen. Obwohl ich beim Yoga regelmäßig das Loslassen übe, fällt es mir immer noch schwer. Eva schafft es nach und nach mein Vertrauen zu gewinnen. Im Laufe der Massage werde ich offener und empfänglicher. Achtsame Begegnung

Die achtsame Eva

Eva ist achtsam und jede ihrer Berührung ist bewusst, so macht Eva es mir leichter zu entspannen und mich ihren Händen anzuvertrauen. Bei der Bauchmassage breitet sich dann Ruhe in meinem ganzen Körper aus und bei der Gesichtsmassage schmelze ich vollends dahin. Die Zeit bleibt stehen, die Grenzen lösen sich auf. Ich fühle mich geborgen, gehalten und angenommen. Evas Berührungen erreichen nicht nur meinen Körper, sie erreichen mein ganzes Wesen. Sie berührt meine Seele. Es ist magisch – ein Zauber. Nach einer Pause bin ich nun die Gebende.

Im Tun ankommen

Eva liegt bereits vor mir auf dem Rücken und ich stimme mich auf die Yoga-Massage ein. Ich lege meine Hände auf mein Herz und nehme mir einen kurzen Augenblick um bei mir anzukommen. Ich spüre meinen Atem, schaue nach innen und versuche still zu werden. Ich mache mich leer und ganz ohne Meinung oder Wertung öffne ich mich für mein Gegenüber. Ich bin ganz in diesem Moment, mit dem Herzen ganz da und nichts anderes ist jetzt noch von Bedeutung. Meine Intension ist, Eva meine liebevolle Berührung zu schenken. Achtsame Begegnung

Ich reibe meine Hände aneinander und erzeuge Wärme und ganz langsam und bewusst senke ich meine Hände auf ihre Füße, noch ganz ohne Druck. Ich lausche mit all meinen Sinnen. Die erste Berührung, habe ich gelernt soll sein wie der erste Kuss, ganz sanft, liebevoll und achtsam.

Berührung ist Kommunikation

Doch dies gilt für die gesamte Massage. Jede Berührung ist achtsam, präsent, klar, mitfühlend, wahrnehmend und beobachtend. Berührung ist Kommunikation ohne Worte. Meine Hände und Arme sind jetzt die Verlängerung meines Herzens. Ist meine Partnerin offen und empfänglich berühre ich nicht nur ihren Körper, ich berühre ihr ganzes Wesen, ihr Herz, die Seele, den Geist.

Mit gleichmäßigem und langsamem Rhythmus gebe ich Druck auf ihren Körper. Ich nutze mein Körpergewicht, nicht meine Kraft. Lasse mich einsinken. Versuche die Grenze zu spüren und versuche auch an ihrer Mimik zu erkennen, ob ich die Grenze noch nicht überschritten habe. Ich mache Yoga, ich bin achtsam, ganz bei dem was ich tue, ganz bei meiner Partnerin und mir. Yogamassage ist Meditation für den Gebenden wie für den Empfangenden.

Einige Massagestrecken und Yogahaltungen erfordern auch körperlichen Einsatz von mir und ich komme dabei ganz schön ins Schwitzen. Doch mit Freude muss ich feststellen, dass mich die Massage weder ermüdet noch erschöpft. Diese dynamische Meditation nährt mich und schenkt mir Energie.

Nach zwei Stunden habe ich den ganzen Körper und alle wichtigen Energielinien bearbeitet. Vom Kronenpunkt bis in jede Zehen– und Fingerspitze. Wie nach jeder Yogastunde lasse ich Eva noch nachruhen. So kann alles, was während der Massage angeregt wurde, nachwirken. Achtsame Begegnung

Das Sein üben

Thai-Yoga-Massage ist nicht nur eine wunderschöne Massage die mich wieder in Balance bringt, sie ist auch eine sehr gute Achtsamkeitsübung. Ich übe das „Sein“ – dieses ganz bei mir sein und ich übe das „Sein“ bei dem was ich gerade tue.

Susanne Schönmetz