Autorin: Susanne Holst-Franke  • Dauer: 6 Minuten  


Das UM-ZU. Vor einigen Tagen sagte eine Freundin zu mir, ich solle doch mal einen Beitrag zum Thema „Selbstliebe“ mit dem Untertitel „Wenn dein Körper dich im Stich lässt“ schreiben. Hm. Zunächst bekam ich die beiden Themen nicht so recht zusammen. Ich verstand nicht, was das eine mit dem anderen zu tun haben sollte. Also verschob ich die Themen. Naja, ich gab mir Mühe, und sie kamen mir immer wieder in den Sinn.

Selbstliebe

Zunächst machte ich mir Gedanken zum Thema „Selbstliebe“. Was bedeutet Selbstliebe? Nichts weiter als sich selbst bedingungslos und vollständig, also ohne Einschränkung, zu lieben. So weit – so gut. Oder eben so weit – so schwierig. Denn wie ist es um unsere Selbstliebe bestellt, wenn wir mal nicht 100 %-ig „funktionieren“ – wenn unsere Seele oder unser Körper mal streikt?

Körper

Ha! Da war er also – der Körper der mal streikt – „der Körper der dich im Stich lässt“. Hier war also der Zusammenhang zum gewünschten Untertitel. Wie sieht es nun aus mit der Selbstliebe, wenn der Körper streikt? Mir begegnen häufig Menschen, bei denen die Selbstliebe spätestens dort aufhört, wo ihnen etwas nicht perfekt gelingt, wo sie etwas nicht können oder sie eben nicht 100%-ig funktionieren – oder sie erkranken. An diesem Punkt beginnt nicht selten die eigene Abwertung und das Hadern. Selbstmitgefühl oder gar Selbstliebe – Fehlanzeige!

Gründe

Es gibt sicherlich vielerlei Gründe, warum es schwerfällt, sich selbst zu lieben und auch liebevoll und fürsorglich mit sich selbst umzugehen. Das mag am allgemeinen Leistungsdruck unserer Gesellschaft, an Traumata oder an einem Leistungsdruck in der Kindheit liegen. Die Gründe mögen sehr vielschichtig und vielleicht auch zweitrangig sein. Denn … was tun, wenn der Körper streikt?

Dazu fällt mir eine junge Frau ein, die mit Schlafstörungen zu mir kam. Sie erklärte mir, wie dringend es wäre, dass ihre Schlafstörungen so schnell als möglich aufhörten. So ginge es ja nicht mehr weiter, sie könne sich schon lange nicht mehr konzentrieren, ihr Studium sei gefährdet und sie hätte schon alles probiert und nichts hätte bislang Erfolg gezeigt.

Sie war verzweifelt, beschrieb sich als kraftlos und erschöpft und meinte: „ich kann den Kampf nicht gewinnen“. Sie war seit Monaten im Kampf. Aus ihrer Sicht funktionierte sie nicht mehr, ihr Körper war außer Kontrolle geraten. Und sie hatte wirklich fast alles ausprobiert. Von Entspannungs-CD’s, Umgestaltung des Schlafzimmers, Verzicht auf Koffein, vermehrtem Sport bis hin zur Einnahme von Medikamenten – es war alles dabei. Sie hatte alles probiert „UM“ wieder schlafen „ZU“ können.

UM-ZU

Häufig sind wir gefangen in diesem „UM-ZU“. Und wir sind noch mehr gefrustet, wenn dieses „UM-ZU“ nicht funktioniert. Denn das „UM-ZU“ hat etwas mit Leistungsdruck zu tun und kann die Situation durchaus massiv verschärfen. Es macht einen Unterschied, ob wir laufen gehen „UM-ZU“ schlafen, oder ob wir laufen gehen. Es macht einen Unterschied ob wir gesund essen „UM ab ZU“ nehmen, oder ob wir gesund essen. Merken sie den Druck den „UM-ZU“ machen kann?

Widerstand

Dazu fällt mir ein Satz von Allen Ginsberg ein: „Das Leiden an sich ist gar nicht so schlimm. Der Widerstand gegen das Leiden macht den eigentlichen Schmerz aus.“ UM-ZU ist eine Form von Widerstand. Und dieser Widerstand schafft das Leiden. Hier die einfache Formel:

Schmerz x Widerstand = Leiden

Der Begriff Schmerz bezieht sich hier auf unkontrollierbare, schmerzhafte Erfahrungen und Ereignisse, die uns im Leben widerfahren können – das kann eine Krankheit, ein Unfall, der Tod eines geliebten Menschen oder auch eine Schlafstörung sein. Das heißt also: Ist der Widerstand bei null, ist zwar auch der Schmerz noch da, aber das Leiden bei Null. Und was kann an die Stelle von Widerstand treten?

Als die oben genannte junge Frau wirklich – und aus ihrer Tiefe, akzeptierte, dass sie nicht schlafen konnte, bekam ihr Körper endlich die Chance, zur Ruhe zu kommen. Akzeptanz also!

Akzeptanz statt UM-ZU

Aber nicht Akzeptanz als Tool, denn dann wäre es auch nur ein „UM-ZU“. Akzeptanz als Form von Selbstliebe und Selbstvertrauen. Akzeptanz, die innere Haltung der Achtsamkeit. Akzeptanz bedeutet, die Gegenwart so anzunehmen, wie sie ist. Bevor wir die Situation aber so hinnehmen, wie sie ist, geht meistens ein Prozess des Haderns und des Widerstandes voraus. Das ist ein völlig normaler Prozess und gehört dazu, auch wenn dieser Widerstand sehr kräftezehrend sein kann. Wir können es auch als Heilungsprozess bezeichnen.

Akzeptanz statt UM-ZU.  Akzeptanz – nicht Resignation.  Akzeptanz statt Widerstand.

Sein-Lassen

Akzeptanz als eine Form von Gelassenheit. Etwas Sein-lassen, nämlich den Widerstand. In unserer Leistungsgesellschaft ist es vielleicht gar nicht so einfach, das „UM-ZU“ sein zu lassen. Wir sind häufig am Verbessern, am Optimieren – UM eben ein perfektes Resultat ZU erreichen. Um so erforderlicher und heilsamer kann es sein, uns in Akzeptanz zu üben. Und wie?

Sitzend in Stille!

Das Sitzen in Stille ermöglicht uns, zu sehen was wirklich ist. Setzen sie sich! Und üben sie! Das Sitzen in Stille ermöglicht es, Akzeptanz zu üben. Akzeptanz gegenüber dem was sich zeigen mag. Vielleicht zeigen sich immer wiederkehrende Gedanken, vielleicht schmerzt ein Körperteil, vielleicht stören irgendwelche Geräusche oder es zeigen sich ungewollte Gefühle – was auch immer es sein mag.

Hier und jetzt haben sie die Möglichkeit Widerstände loszulassen und ihr SEIN so zu akzeptieren wie es sich JETZT zeigt, in genau diesem Augenblick.

Ihre Susanne Holst-Franke