Autorin: Susanne Schönmetz • Dauer: 10 Minuten • 


Angst. Als Kind hatte ich so große Angst vor der Höhe, dass ich nicht einmal von den vertrautesten Menschen auf den Schultern getragen werden konnte. Beim Schulausflug musste mich der Lehrer wieder vom Aussichtsturm tragen, da es mir nicht mehr möglich war, die Treppe alleine hinunterzugehen. Die Angst vor Wasser hat den wöchentlichen Schwimmunterricht zu einem Drama für mich gemacht. Die Angst vor Tieren ging so weit, dass ich sogar vor einem kleinen Dackel davongerannt bin. Die Nacht war die Zeit der Alpträume und machte mir Angst. Ja und da war noch die Angst vor allem Neuen. Also ich kenne mich richtig gut aus mit diesem Thema. Angst

Zum Glück gehören die meisten dieser Ängste der Vergangenheit an. Nach und nach habe ich diese Ängste in Zuversicht und Vertrauen gewandelt und für einige Bereiche sogar Liebe und Leidenschaft entwickelt. Doch Angst begleitet uns ein Leben lang. Angst gehört zum Mensch sein dazu und das betrifft uns alle gleichermaßen. Wie gehen wir mit unseren Ängsten um, mit dieser lebenslangen Aufgabe?

Angst ist grundsätzlich gut!

Jeder Mensch hat Ängste und Angst ist ja erst einmal gut. Sie hat die Aufgabe uns zu beschützen. Sie möchte, dass es mir gut geht. Sie hat eine Botschaft für uns. Angst kann jedoch ein Niveau annehmen, das weit weg von „gesund“ ist. Vor allem, wenn man sich vor Dingen fürchtet die nicht bedrohlich sind, wenn unsere Entscheidungen auf Angst basieren statt auf Vertrauen und wenn wir uns immerzu schützen müssen, anstatt unser Leben zu leben.

Die Ursachen unserer Ängste können sehr vielfältig sein. Wir haben Angst vor Verletzungen, vor Verlusten, zu versagen, nicht geliebt zu werden, sich lächerlich zu machen, nicht Recht zu behalten, die Kontrolle zu verlieren. Wir haben Angst uns zu zeigen, uns unseren Raum zu nehmen, Nein zu sagen, Angst vor der Zukunft und letztendlich die Angst vor dem Tode.

Wir haben immer die Möglichkeit Einfluss zu nehmen. Statt unsere Angst zu verdrängen oder zu verleugnen können wir ein Bewusstsein dafür schaffen. Die Angst da seinlassen, ihr einen Raum lassen, sie anerkennen, aushalten, annehmen und fühlen. Wir müssen erforschen und tiefer nachspüren wo die Angst ihren Ursprung hat. Oft findet sich eine ganz bestimmte Erfahrung in der Vergangenheit, die verantwortlich ist. Nur wenn wir unserer Angst auf die Spur kommen entwickeln wir die Selbsterkenntnis aus der heraus wir mutig handeln können. Angst

Meine persönliche Erfahrung hat mir gezeigt, dass Angst einen Motivationsschub auslösen kann. Krisen können Wachstum und Weiterentwicklung bewirken. Schwierige Situationen fordern uns heraus, und wir befassen uns mehr mit uns selbst. Es erfordert Mut sich seinen Themen zu stellen, diese wahrzunehmen, zu erkennen auf was sie gründen und sich letztlich darüber im Klaren zu sein.

Kann Yoga helfen?

Kann uns Yoga dabei helfen unsere Ängste zu erkennen und ihnen mutig zu begegnen? Gleich vorneweg – mir hilft Yoga bei diesem lebenslangen Prozess. Aber natürlich handelt es sich hier um meine ganz persönliche Erfahrung. Wenn wir Yoga üben, sind wir es gewohnt unseren Körper zu spüren und genau das können wir tun um unsere Ängste zu ergründen. Wenn wir uns bewusst machen wie sich die Angst im Körper anfühlt, wo unsere körperlichen Symptome sitzen. Ist es ein Verkrampfen des Nackens, ein verspannter Kiefer, hochgezogene Schultern, verengt sich unsere Kehle, zieht sich der Bauch zusammen oder schlägt unser Herz bis zum Hals, werden wir nervös, oder fühlen wir uns wie gelähmt und fast handlungsunfähig? Angst

Spüren und Raum geben

Diese Angst im Körper zu spüren, sie erst einmal da sein lassen und ihr einen Raum geben. Im nächsten Schritt können wir, wenn wir solche Angstsignale spüren, bewusst in diesen Bereich unseres Körpers atmen und mit dem Ausatmen die Angst und den Schmerz zusammen mit unserem Atem gehen lassen. Wenn wir unsere Atmung befreien, befreien wir auch unsere Gefühle. Wenn wir Yoga üben, ist uns bewusst wie unser Atem auf Körper und Geist wirkt. Wir können den Atem bewusst einsetzen um loszulassen, um Raum zu schaffen oder unsere Energie zu stärken und zu lenken. Angst

Haben wir Angst oder sind wir im Stress, so atmen wir hektisch, flach und unregelmäßig. Wir atmen nur in die oberen Bereiche des Körpers, in unseren oberen Brustraum und die Lungenspitzen. Ein ängstlicher Mensch versteckt seine Gefühle in einem Körperpanzer. Der Körper nimmt eine Schutzhaltung ein, der Brustkorb wird eng, die Atmung wird eingesperrt und fließt flach. Durch Achtsamkeit, die sich durch eine Yogapraxis ganz natürlich entwickelt werden uns diese Verspannungen immer bewusster und wir schaffen es immer öfter sie aufzulösen.

Mut haben

Sich seinen Ängsten zu stellen erfordert Mut. Und Mut ist eine wichtige Eigenschaft der Yogis. Mut kann man lernen. Mut kann man trainieren indem man sich den Herausforderungen immer wieder stellt. Eine regelmäßige Yogapraxis stärkt uns von innen. So sind wir in schwierigen Situationen eher gewappnet. Yoga macht uns mental stark, so dass wir die Hürden des Lebens besser meistern können.

Durch regelmäßiges Üben wird es uns möglich das Gelernte und unsere Erfahrungen aus dem Yoga auf unseren Alltag zu übertragen und selbst aktiv umzusetzen. In schwierigen Asanas stoßen wir hin und wieder an unsere Grenzen, dann müssen wir den Mut entwickeln diese Grenzen achtsam und liebevoll auszuweiten und dies hilft uns nicht nur auf der Matte, sondern auch im täglichen Leben. Angst

Spielerisch annähern

Auf der Yogamatte können wir spielerisch ausprobieren und beobachten wie wir mit unseren Widerständen, unserer Angst und der Anstrengung umgehen und können so aus den positiven Erfahrungen Kraft schöpfen, Vertrauen in unsere Fähigkeiten entwickeln und das Gelernte auf unser tägliches Leben übertragen. So bekommen wir nach und nach das Bewusstsein, dass mehr möglich ist als wir glauben, dass noch Potenziale in uns schlummern, auf der Matte wie im täglichen Leben. Angst

Betrachten wir die Wirkungen der Asanas genauer, können wir mit den verschiedensten Übungen unsere Eigenschaften stärken Mut und Vertrauen zu entwickeln. Sprichwörtlich aber ist die Heldenhaltung. Der Held muss sich auf seinem Weg mit vielen Widerständen auseinandersetzen, aber er gibt nie auf. Dafür braucht er Mut, Vertrauen und Kraft.

Dieses Asana lässt uns den Geist eines Helden spüren. Es gibt uns ein Gefühl der Kraft, der Konzentration und Entschlossenheit. Es stärkt unser Selbstbewusstsein. Asanas bei denen wir auf den Händen balancieren erfordern besonders unseren Mut. An die Krähe können wir uns wohl am einfachsten heranwagen. Sie erlaubt es uns schrittweise und spielerisch an die Haltung heranzutasten. Dabei können wir über uns hinauswachsen, wir können den Mut entwickeln etwas Neues zu wagen. Hier können wir die Angst auf die Nase zu fallen überwinden.

Es fühlt sich toll an, wenn man seine Grenzen erweitert, wenn man erkennt, dass man mehr Potenzial hat als gedacht. Dies motiviert auch andere Ängste zu überwinden. Aus Situationen in denen wir uns trauen etwas zu riskieren, uns trauen eine Herausforderung anzunehmen etwas Neues zu wagen und dabei Erfolg haben, gehen wir gestärkt hervor. Das müssen nicht einmal immer die großen Ereignisse sein, dies können auch die vielen kleinen Situationen im Alltag sein. Angst

Stille und Rückzug nach Innen

Eine Voraussetzung für die Selbsterkenntnis ist die Stille und der Rückzug nach innen. Auch das üben wir im Yoga. Die Stille gibt uns den Raum und die Zeit um ehrlich hinzuschauen ohne auszuweichen. Sich der Erfahrung hinzugeben auch wenn es nicht angenehm ist. In der Stille der Meditation können wir unsere Ängste ergründen. Wovor habe ich Angst? Ist meine Angst real oder findet sie nur in meinen Gedanken statt? Was ist der Ursprungsschmerz? Wie sieht meine Zukunft aus, wenn sich diese Angst bestätigt? Wie fühlt sich diese Angst, dieser Schmerz an? Was macht das mit mir?

Wir können uns auch eine Situation vorstellen, etwas was wir schon immer tun wollten, wozu uns bisher aber der Mut fehlte, oder eine Situation die uns immer wieder Unbehagen bereitet. Wir können unsere Zukunft visualisieren, sie in einem anderen Licht sehen. Angst

Wir schauen uns die Situation zuerst genau an und dann stellen wir uns vor, wie es wäre, wenn wir „mutig“ sind, wie es sich anfühlt „stark“ zu sein. Wir lassen positive Bilder und Gefühle dazu aufkommen um die Situation nicht nur auf der Verstandesebene zu integrieren, sondern auch auf der Gefühlsebene. Wir sehen im Geiste wie das Neue aussehen soll und fühlen wie wir selbst zufrieden und glücklich sind. Wir machen uns alle einzelnen Schritte bewusst, die nötig sind um unser Ziel zu erreichen. Dies wird uns dabei helfen den Mut und das Selbstvertrauen zu entwickeln das Neue zu riskieren, unseren Traum zu leben und die Herausforderungen des Lebens anzugehen. Wir beginnen dann in kleinen Schritten, die unweigerlich zu den nächsten führen und wir kommen unserem Ziel immer näher.

Im Yoga machen wir uns auf die Suche nach unserer ursprünglichen Natur. Wir sind in Kontakt mit unserer inneren Welt und entwickeln einen inneren Beobachter, der uns spüren lässt was wirklich zu uns gehört. Wenn wir so ganz bei uns Selbst sind und Schicht für Schicht näher zum Kern unseres Seins zurückkommen finden wir die Quelle für eine tiefe innere Freude und Liebe. Diese gibt uns das Vertrauen, den Mut, die Klarheit, die Gelassenheit und Leichtigkeit um mit einem offenen Herzen in die Zukunft zu gehen. Angst

Ihre Susanne Schönmetz