Autorin: Susanne Burkhardt • Dauer: 6 Minuten • 


Tun wir zu wenig. Nichts? Was meint „Nichtstun“? Hat Nichtstun eine Qualität, die messbar ist? Oder ist Nichtstun Zeitverschwendung und ineffizient?

Meinungen

Mina, 10 Jahre, verbindet mit Nichtstun: „Ich mache nichts oder ich schlafe. Nichtstun ist langweilig.“ Nichtstun

Tom, 9 Jahre, kennt Nichtstun nur, wenn er schlafe. Das Positive am Nichtstun sei, er müsse dann keine Brille tragen.

Micha, 22 Jahre, entscheidet sich fürs Nichtstun, wenn er keinen Antrieb hat, keine Motivation spürt, eine ihm aufgetragene Aufgabe zu erledigen. Dann wählt er die Ablenkung von außen in Form von Berieselung mit Medien. Dabei hat er ein schlechtes Gewissen, weil er nichts Produktives hervorbringt in dieser Zeit. Das ist in seinen Augen Nichtstun.

Was verbindest Du denn mit Nichtstun?

Jana, 10 Jahre, meint dazu: „Nichtstun ist Schlafen, Sitzen und Tagträumen.“ Sitzen und Tagträumen. Nichtstun

Mina sitzt Jana gegenüber. Unter Tagträumen kann sich Mina gar nichts vorstellen. Jana kennt sich offensichtlich damit aus. „Wenn es mir in der Schule zu anstrengend wird oder ich eine Aufgabe nicht selbstständig lösen kann, dann komme ich ins Tagträumen. Ich schweife mit meinen Gedanken ab. Oder wenn mir eine Aufgabe zu leicht ist, dann passiert das auch.“

Jana mag diesen Zustand. Leider bekommt sie viel zu häufig die Rückmeldung von den Erwachsenen, dass sie schon wieder träume. Und dann fühlt sie sich schlecht. Jana hat dann ein schlechtes Gewissen und denkt, Tagträumen sei nichts Gutes. Das schlechte Gewissen braucht sie nicht zu haben. Gedanken suchen sich ein Ventil, um den Leistungsdruck zu mindern und diesem für einen Moment zu entkommen. Bei einer Unterforderung werden die vorhandenen Ressourcen nicht ausgelastet und die Gedanken gehen ebenfalls auf Wanderschaft. Eine natürliche Reaktion des Verstandes. Nichtstun

Nichtstun-Momente

Leider sind in einer Leistungsgesellschaft kleine Nichtstun-Momente nicht besonders erwünscht. So auch im Schulalltag. Jana lernt von der Reaktion der Erwachsenen, dass einer Auszeit, die sie sich gönnt, um wieder aufmerksam sein zu können, wenig oder keinen Raum gegeben werden kann. Dabei könnte so ein kleines bisschen Tagträumen auf unbewusstem Weg kleine Wunder bewirken, wieder fokussiert weiter zu lernen oder eine Fragestellung neu zu denken.

Was Jana eigentlich braucht, ist das Wissen, warum sie so häufig dem Tagtraum verfällt und welche Ressource sich im Tagträumen versteckt. Wie kann es Jana gelingen, sich nicht in ihren Gedanken zu verlieren? Insbesondere dann, wenn sie eine Aufgabe zu erfüllen hat. Hier kann ein kleiner „Wenn-Dann-Plan“ helfen. „Immer dann, wenn ich mit meinen Gedanken hin und her schweife, suche ich meinen Atem und beobachte ihn. Mit meinem inneren Anker bleibe ich mit dem Jetzt verbunden. Nach einer kurzen Auszeit finde ich wieder aufgetankt zur Aufgabe zurück.“

Wenn wir also produktiv sein wollen, sollten wir uns, so seltsam sich das zunächst anhören mag, immer mal wieder absichtlich von dem konzentrierten Arbeiten lösen und uns ins Tagträumen fallen lassen. Nichtstun

Tun wir mehr nichts! Nichtstun schafft Freiraum im Kopf. Nichtstun kann wertvolle Zwischenräume im Alltag ermöglichen. Wenn wir merken, spüren, dass alles „zu viel“ ist, dann ist dieses „ Zuviel“ vielleicht ganz einfach ein „Zuwenig“ an Nichts.

Ihre Susanne Burkhardt