Autor: Thomas Schönmetz • Dauer: 5 Minuten • 


Die Taxifahrt – Momente. Ein New York City Taxifahrer schrieb: Ich kam zu der Adresse und hupte. Nach ein paar Minuten Wartezeit hupte ich wieder. Da dies die letzte Fahrt meiner Schicht war wollte ich gerade wegfahren, aber stattdessen parkte ich dann das Auto und ging zur Tür und klopfte … „Nur eine Minute“, antwortete eine gebrechliche, ältere Stimme. Ich konnte hören, wie etwas über den Boden gezogen wird.

Nach einer langen Pause öffnete sich die Tür. Eine kleine Frau über 90 Jahre stand vor mir. Sie trug ein bedrucktes Kleid und einen Pillbox-Hut mit einem Schleier, wie jemand aus einem 40er-Film. An ihrer Seite war ein kleiner Koffer. Die Wohnung sah aus, als hätte dort seit Jahren niemand gelebt. Alle Möbel waren mit Tüchern bedeckt. Die Taxifahrt – Momente. 

Es gab keine Uhren an den Wänden, kein Zierrat und kein Geschirr auf der Theke. In die Ecke war ein Karton gefüllt mit Fotos und Glaswaren. „Würden Sie meine Tasche zum Auto tragen?“, sagte sie. Ich nahm den Koffer, kehrte dann um die Frau zu unterstützen. Sie nahm meinen Arm und wir gingen langsam in Richtung des Autos. Sie dankte mir für meine Güte. „Ist schon gut“, sagte ich ihr, “Ich versuche nur, sie so zu behandeln wie meine Mutter behandelt werden will.“ „Oh, du bist so ein guter Junge“, sagte sie. Als wir im Taxi saßen, gab sie mir eine Adresse und fragte: „Können sie mich durch die Innenstadt fahren?“ Die Taxifahrt – Momente. 

Die letzte Fahrt

„Es ist nicht der kürzeste Weg“, antwortete ich schnell. „Oh, das kümmert mich nicht“, sagte sie. „Ich bin nicht in Eile. Ich bin auf dem Weg zu einem Hospiz.“

Ich schaute in den Rückspiegel. Ihre Augen glänzten. „Ich habe keine Familie“ fuhr sie fort mit einer weiche Stimme. „Der Arzt sagt, ich habe nicht sehr lange.“ Ich schaltete das Taxameter ab: „Welche Route soll ich nehmen?“ Für die nächsten zwei Stunden fuhren wir durch die Stadt. Sie zeigte mir das Gebäude, wo sie einmal als Aufzugswärterin gearbeitet hatte. Wir fuhren durch das Viertel, wo sie und ihr Ehemann als Ehepaar lebten, vorbei an einem Möbellager, das einst ein Ballsaal gewesen war, wo sie als Mädchen tanzen gegangen war. Die Taxifahrt – Momente. 

Manchmal bat sie mich langsam an einem bestimmtem Gebäude oder einer Ecke zu fahren. Sie starrte in die Dunkelheit und sagte nichts. Als der erste Hauch von Sonne am Horizont erschien, sagte sie: „Ich bin müde. Jetzt gehen wir.“ Wir fuhren schweigend zu der Adresse, die sie mir gegeben hatte. Es war ein niedriges Gebäude, wie ein kleines Erholungsheim mit einer schönen Einfahrt unter einem herrlichen Portal.

Zwei Pflegekräfte kamen zum Taxi. Sie waren besorgt und beobachteten jede Bewegung. Sie müssen sie erwartet haben. Ich öffnete den Kofferraum und nahm den kleinen Koffer und stellte ihn vor die Tür. Die Frau saß bereits im Rollstuhl. Die Taxifahrt – Momente. 

Ein Geräusch – das Ende

„Wie viel schulde ich Ihnen?“ Sie bat mich, ihr ihrem Geldbeutel zu reichen. „Nichts,“ sagte ich. „Sie müssen leben,“ antwortete sie. „Es gibt andere Passagiere“, antwortete ich. Fast ohne zu denken, beugte ich mich zu ihr und umarmte sie. Sie hielt mich fest. „Sie haben einer alten Frau einen Momente der Freude geschenkt,“ sagte sie. „Danke.“ Ich drückte ihre Hand und ging dann in das Morgenlicht… Hinter mir schloss sich eine Tür. Es war das Geräusch – das Schließens eines Lebens…

Ich holte keine weiteren Passagiere. Ich fuhr ziellos in Gedanken versunken. Für den Rest des Tages konnte ich kaum sprechen. Was wäre passiert, wenn die Frau einen unfreundlichen, ungeduldigen Fahrer bekommen hätte? Was wäre passiert, wenn ich mich geweigert hätte, diese Fahrt zu machen oder nach einmal hupen gefahren wäre? Die Taxifahrt – Momente. 

Wenn ich an diese Fahrt zurück denke, glaube ich dass ich noch niemals etwas Wichtigeres im Leben getan habe.

In unserem hektischen Leben legen wir besonders viel Wert auf die großen, bombastischen Momente. Größer – Schneller – Weiter. Dabei sind es doch die kleinen Momente, die kleinen Gesten die im Leben wirklich zählen. Für diese kleinen und schönen Momente sollten wir uns wieder Zeit nehmen. Wir sollten wieder Geduld haben – nicht sofort hupen – dann sehen wir sie auch.

Quelle: unbekannt

Ihr Thomas Schönmetz