Autor: Thomas Schönmetz • Dauer: 6 Minuten • 


Führung ist ein anspruchsvolles, wie auch komplexes Thema. Führung wird einem nicht in die Wiege gelegt und es ist auch kein Schulfach. Ebenso findet man kaum Ansätze in Studiengängen. Wie wird man also Führungskraft. Oftmals passiert dies durch eine Beförderung, also der Zufall (das Glück) schlägt zu. Man hat als Einzelkämpfer:in gute Arbeit geleistet und darf nun eine ganze Abteilung leiten – einfach so – einfach jetzt. Und meist beginnen dann die wirklich Probleme, weil das kein Mensch gelernt hat. Führen wie ein Yogi

Somit stellt sich die Frage, wo man einfaches und wirksames Werkzeug für solch eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe findet. Lassen Sie uns gemeinsam ein Auge auf den Yogaweg werfen. Ja, genau … dort hätten Sie sicherlich nie gesucht.

Führen wie ein Yogi: Fünf Prinzipien zum Umgang mit der Welt und den Menschen

Yoga wird gemeinhin in unserer westlichen Welt mit mehr oder weniger anspruchsvollen Körperhaltungen in Verbindungen gebracht. Tatsächlich sind diese sogenannten Asanas aber die dritte von acht Stufen des klassischen Yogawegs wie er von Patanjali im Yogasutra beschrieben wurde.

Auf der ersten Stufe dieses Wegs stehen mit den fünf Yamas Verhaltensregeln zum Umgang mit sich selbst und der Welt. Ähnlich wie die sieben Todsünden der katholischen Kirche lassen sich diese Regeln sehr gut nutzen, um das eigene Führungsverhalten zu reflektieren. Führen wie ein Yogi

1. Ahimsa – Nichtverletzen

Oft lautet der Wahlspruch: „Und bist du nicht willig so brauche ich Gewalt“. Sie geben immer vollen Einsatz ohne Rücksicht auf Verluste. Druck ist gut, mehr Druck ist besser. Die ganzen Minderleister kommen doch sonst nicht in Bewegung!

„Auge um Auge – und die ganze Welt wird blind sein“ Mahatma Gandhi

Himsa bedeutet im Sanskrit Gewalt und Ahimsa das Gegenteil, also Nicht-Gewalt. Ahimsa meint aber mehr als die Abwesenheit von Gewalt, sondern den bewussten, respektvollen, freundlichen und nachhaltigen Umgang mit der Welt, den Mitmenschen und sich selbst, denn nur wer sich selbst führen kann, kann andere führen. Diese Gewaltlosigkeit beschränkt sich nicht auf Taten, sondern beginnt immer bei Gedanken und den Worten. Ahimsa bedeutet den Menschen in seiner Einzigartigkeit wertzuschätzen und seine Fähigkeiten bestmöglich zum Einsatz zu bringen für die gemeinsame Sache. Wertschöpfung durch Wertschätzung! Führung ist eine Dienstleistung. Die Dienstleistung, Menschen erfolgreich zu machen. Führen wie ein Yogi

2. Satya – Wahrhaftigkeit

Sie sind Meister der der Karriereplanung. Ihr strategischer Lunchkalender ist auf Monate im Voraus voll. In diesen vielen informellen Gesprächen, schaffen Sie es, sich selbst gut und andere schlecht aussehen zu lassen. Hätten Sie ein Wappen, Ihr Wappentier wäre das Chamäleon. Geschmeidig passen Sie sich und Ihre Meinung an das Gegenüber an und nutzen alle sich bietenden Chancen opportunistisch zu Ihrem Vorteil. Führen wie ein Yogi

„Je wahrhaftiger ein Mensch spricht, desto mächtiger werden seine Worte“ T. K. V. Desikachar

Satya bedeutet im Sanskrit Wahrhaftigkeit. Auch diese Wahrhaftigkeit beginnt bereits bei Gedanken, aus denen dann wahrhaftige Worte und Taten werden. In dem Sinne fordert Satya Kongruenz von Denken, Reden und Handeln. Wahrhaftigkeit bedeutet auch und gerade, sich selbst nichts vorzumachen und sich auch Fehler einzugestehen. Gegenüber anderen Menschen muss hingegen immer eine Balance zwischen Wahrhaftigkeit und Gewaltlosigkeit gefunden werden. Hilfreich dazu ist sicherlich die gewaltfreie Kommunikation nach Marschall B. Rosenberg.

3. Asteya – Nichtstehlen

Das Leben ist eine Bühne auf der Sie sich für die Ergebnisse Ihrer Mitarbeiter feiern lassen. Das haben Sie verdient, schließlich würde hier ja ohne Sie nichts funktionieren. Und wenn doch mal etwas schiefgeht, begeben Sie sich persönlich auf die Suche nach dem Schuldigen.

„Wer was gelten will, muß andre gelten lassen“ Johann Wolfgang von Goethe

Steya bedeutet im Sanskrit Stehlen und Asteya folglich Nicht-Stehlen im Sinne von sich nichts zu nehmen, was einem nicht gehört oder gegeben wurde. Das schließt explizit auch geistiges Eigentum ein und bedeutet auch, sich nicht mit fremden Federn zu schmücken. Führung heißt eben auch das eigene Ego zurückzunehmen, andere erfolgreich machen und ihre Leistung wertzuschätzen. Führen wie ein Yogi

4. Brahmacharya – Ausrichtung auf das Wesentliche

Das Eine tun und das Andere nicht lassen. Entscheidungen sind nicht Ihre Stärke. Sie sind mehr der Sowohl-als-auch-Typ. Alles erscheint Ihnen gleich wichtig. Überall könnten schließlich Chancen für Ihren nächsten Karriereschritt lauern. Und das ist am Ende das einzige, was für Sie zählt.

„You cannot overestimate the unimportance of practically everything“ John Maxwell

Brahmacharya setzt sich im Sanskrit zusammen auch Brahma, das Wesentliche, das Wahre, und char, das bewegen bedeutet. Gemeint ist also eine Bewegung oder Ausrichtung auf das Wesentliche. Führung bedeutet Orientierung zu geben und die verfügbaren Kräfte und Fähigkeiten auf das Wesentliche auszurichten. Und das Wesentliche ist nicht Ihre Karriere! Führen wie ein Yogi

5. Aparigraha – Nichthorten

Macht und Ansehen sind Ihre Triebfeder. Mehr Mitarbeiter, mehr Budget, mehr Verantwortung, größeres Büro, persönlich zugewiesener Parkplatz, größerer Dienstwagen, first-class Flüge, das alles und noch viel mehr reizt und treibt Sie täglich an. Dafür geben Sie alles, fordern alles von Ihren Mitarbeitern und erzielen gute Ergebnisse, egal ob es der Organisation nützt oder nicht.

„Viele Menschen benutzen das Geld, das sie nicht haben, für den Kauf von Dingen, die sie nicht brauchen, um damit Leuten zu imponieren, die sie nicht mögen.“ Walter Slezak

Parigraha bedeutet im Sanskrit soviel wie Zugreifen, Gier, Horten und Aparigraha somit das Gegenteil, also die Abwesenheit des übermäßigen Verlangens und Strebens nach Besitz. Führung beginnt mit der Selbstführung und diese Selbstführung beginnt mit der Klarheit, über die eigenen Motive. Es wäre viel gewonnen, wenn wir Organisationen und ihre Prozesse so gestalteten, dass bei allen der gemeinsame Sinn und Zweck im Vordergrund stünde und nicht das eigene gierige Ego. Führen wie ein Yogi

Eigentlich ganz einfach – oder? Doch man muss es wollen und man muss es üben. Es ist noch keine Führungskraft vom Himmel gefallen.

Ihr Thomas Schönmetz