Autor: Thomas Schönmetz • Dauer: 6 Minuten • 


Es wirkt! Ein Medikament ist schnell eingenommen – es ist bequem. Man muss sich dafür nicht anstrengen. Ein Medikament ist zweifelsfrei eine gute Maßnahme, um auf eine Erkrankung akut einzuwirken – doch ist es langfristig nicht unbedingt eine gute Lösung. Der folgende Artikel von Mia Mertens zeigt deutlich, wie Achtsamkeit langfristig helfen kann.


Frisch erforscht – Achtsamkeit hilft bei Angst so gut wie Antidepressiva (Nov 2022 | DIE ZEIT | ONLINE) von Mia Mertens

Morgens die aufgehende Sonne begrüßen, dann eine Meditations-App anwerfen, im Hier und Jetzt ankommen – Achtsamkeit liegt im Trend. Und die Forschung zeigt: Meditation entspannt nicht nur, sondern hilft auch gegen ernste psychische Erkrankungen. Trotzdem assoziieren viele Achtsamkeit noch immer mit Esoterik und Kalendersprüchen. Eine neue Studie macht nun den Härtetest – und sollte auch letzte Zweifel ausräumen. Es wirkt! 

Bei Angsterkrankungen verschreiben Psychiater häufig Escitalopram. Der Wirkstoff gehört zu den Antidepressiva und erhöht die Konzentration des Botenstoffs Serotonin zwischen Hirnzellen. Forschende prüften nun erstmals, was besser wirkt: Arznei oder Achtsamkeit? Das Team um Elizabeth Hoge von der Georgetown University in Washington, D. C., veröffentlichte seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift JAMA Psychiatry. Es wirkt! 

Rund 200 Erwachsene mit einer Angsterkrankung nahmen an der Studie teil. Einige fürchteten sich vor sozialen Situationen oder Menschenmengen, andere litten unter Panikattacken oder übermäßigen Sorgen – Letzteres ist typisch bei einer generalisierten Angststörung. Die eine Hälfte nahm zwei Monate lang täglich Escitalopram; die andere absolvierte das Meditationstraining »Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion« nach Jon Kabat-Zinn. Patienten lernten dabei etwa, ihren Atem zu beobachten, sich achtsam zu bewegen und einzelne Körperteile bewusst wahrzunehmen. Sie besuchten wöchentlich einen Kurs, einmalig einen längeren Workshop und übten jeden Tag allein zu Hause. Es wirkt! 

Wie krank die Patienten waren, bewerteten Klinikmitarbeitende jeweils vor und nach der Behandlung. Dafür nutzten sie eine siebenstufige Skala – von 1 für vollkommen gesund bis 7 für schwerstkrank. Zu Beginn der Studie vergaben die Kliniker im Schnitt einen Wert zwischen 4 und 5. Das Ergebnis zwei Monate später: Ob Patienten Escitalopram genommen oder meditiert hatten, machte keinen Unterschied. Beide Gruppen erzielten durchschnittlich noch etwa 3 Punkte auf der Skala. Auch ein halbes Jahr später erreichten sie nahezu identische Werte.

In einer Hinsicht unterschieden sich die Gruppen aber doch. Escitalopram führte zu deutlich mehr Nebenwirkungen als das Achtsamkeitstraining. Knapp 80 Prozent der Patienten, die das Medikament genommen hatten, bemerkten unangenehme Effekte. Sie hatten etwa Probleme, einzuschlafen, oder fühlten sich grundlos erschöpft. Viele beklagten zudem Kopfschmerzen und Übelkeit. Es wirkt! 

Anscheinend beeinflusste das Medikament auch das Liebesleben der Patienten. Einige hatten weniger Lust auf Sex oder konnten kaum noch zum Orgasmus kommen. Unter denen, die meditiert hatten, waren Nebenwirkungen selten – nur 12 Prozent schilderten unangenehme Effekte.

Das Achtsamkeitstraining war also nicht nur genauso wirksam wie das Medikament, sondern noch dazu sicherer. Es wirkt! 

Mehr Wissen | Auch in der Forschung ist Achtsamkeit ein Trend geworden: 16.581 Studien wurden dazu von 1966 bis 2021 publiziert – zwei Drittel davon in den letzten fünf Jahren. (DIE ZEIT | 11.2022)


Letztendlich entscheidet immer die betroffene Person, ob sie langfristig Medikamente einnehmen möchte, oder ob sich die betroffene Person auch mit anderen Wegen beschäftigen will. Es kostet Zeit und den Willen. Wenn Sie den Willen haben, kann Achtsamkeit ein guter Weg sein.

Ihr Thomas Schönmetz | TS Methoden