Autorin: Jessica Granitza • Dauer: 5 Minuten •
Warum ist es so schwer, achtsam zu bleiben? Achtsamkeit ist ja eigentlich nichts Besonderes. Kann doch eigentlich jeder, kinderleicht, kann jedes Kind. Einfach bewusst sein, was man gerade tut.
Sooooo viele Gedanken
Und wieso ist es trotzdem so schwer, warum kommen da immer so viele Gedanken? Selbst wenn wir es uns fest vornehmen – oder uns sogar extra Zeit dafür einrichten, uns voller Entschlossenheit auf unser Meditationkissen setzen – und wieder nix. Ein Gedanke nach dem nächsten. Der Einkauf für das Mittagessen, das Meeting morgen früh, der Streit gestern Abend oder der Gedanke an den nächsten Urlaub. Manchmal sind es „wichtige“ Gedanken, die wir unbedingt sofort aufschreiben wollen, manchmal sind diese auch völlig belanglos.
Eines haben die Gedanken immer gemeinsam:
Immer dann, wenn keine äußeren Reize vorliegen, das heißt, wenn wir nichts tun, springen spezielle Hirnregionen an und sind gleichzeitig aktiv, das sogenannte Default-Mode-Network (DMN). Dieses Netzwerk verläuft ungefähr da, wo der Scheitel gezogen wird, die sogenannte kortikale Mittellinie. In diesem Netzwerk haben wir ausschließlich sogenannte selbstbezogene Gedanken. Wir planen, verarbeiten, analysieren, bewerten oder verlieren uns in Tagträumen – aber es geht immer um uns selbst.
Ruhemodus-Netzwerk
Wenn unser Gehirn zur Ruhe kommt, schaltet es immer in das DMN, auf Deutsch auch Ruhemodus-Netzwerk oder die Werks- oder Standardeinstellung unseres Gehirns. Aber nicht nur dann. Mindestens fünfzig Prozent unserer wachen Zeit verbringen wir mit selbstbezogenen Gedanken. Wir sind dann geistig abwesend und befinden uns in einer Art fiktiven Wirklichkeit. Wir malen uns Geschichten aus und erschaffen so ein fiktives Ich, welches es in der Realität nicht gibt. Entweder beziehen sich die Gedanken auf etwas, das schon vorbei ist (Vergangenheit) und es deshalb nicht mehr gibt oder auf eine Zukunft, die es noch nicht gibt. Die Gedanken können sich auch auf die Gegenwart beziehen, sind dann aber eben nur Gedanken, die mit der Realität nichts zu tun, weil sie sich eben nicht auf das beziehen, was gerade ist.
Zum Beispiel laufen wir an einem Geschäft vorbei, sehen dort ein Kleidungsstück, ein technisches Gerät oder etwas anderes Begehrenswertes. Wir malen uns im Weitergehen aus, wie wir in diesem Kleid zum Essen gehen oder wie wir auf diesem Fernseher unsere Lieblingsserie schauen. Und wir sind dabei so sehr in dieser fiktiven Welt, dass wir gar nicht bemerken, wie wir gleichzeitig fünf Meter weitergelaufen sind. Wir nehmen die Straße, auf der wir uns gerade befinden, gar nicht mehr wahr. Dabei kann es dann schon mal passieren, dass wir eine Straße zu weit laufen, weil wir nicht mehr auf den Weg achten.
Mind-Wandering
Dieser Zustand wird auch Mind-Wandering genannt. Im Mind-Wandering oder DMN können wir sogar reale Wahrnehmungen in unsere fiktive Welt einbauen. So nähren wir die Vorstellung von einer Welt, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat und kreieren ein Ich, das es nicht gibt. Dabei bauen wir ein starkes Ich-Bewusstsein für dieses Ich auf, welches aufgrund der Diskrepanz zwischen unserer fiktiven Welt und der Wirklichkeit zu großem Leiden führen kann. Da wir uns in dieser fiktiven Welt die Dinge anders vorstellen, als sie tatsächlich sind, kommt es schnell dazu, dass es anders läuft, als von uns erwartet. Wir sind dann oft nicht in der Lage, uns den veränderten Umständen anzupassen und kommen damit schwer klar oder reagieren im Moment anders, als wir es gewollt hätten.
Weil also unser Gehirn „werksmäßig“ so eingestellt ist, immer wieder in das DMN zu rutschen, fällt es uns so schwer achtsam zu bleiben. Durch Meditation können wir üben, unsere Aufmerksamkeit besser zu steuern und weniger Zeit mit Mind-Wandering zu verbringen. Das lohnt sich nicht nur, weil wir dadurch einen größeren Teil unserer Zeit wirklich leben, statt uns in Gedankenketten zu verlieren. Wir sind auch nachweislich glücklicher, wenn wir nicht im DMN sind.
Ihre Jessica Granitza
Sehr interessant und wieder was gelernt.
Danke!
Freue mich auf die nächsten Artikeln.
Liebe Grüße