Autorin:  Sylvia Funk • Dauer: 6 Minuten • 


Glückskiller: Erwartungen | Neulich hatte ich ein Gespräch mit einem jungen Mann. Er erzählte mir, dass es schon schade ist, dass seine letzte Freundin nicht die Frau fürs Leben war. Er schwärmte mir vor, dass sie eine tolle Zeit zusammen gehabt hätten und sie viele von den Eigenschaften hatte, die er sich bei der Frau wünschte, mit der er eine Familie gründen möchte. Neugierig fragte ich ihn, was denn vorgefallen ist, dass es zur Trennung kam. Sofort kam von ihm, wie aus der Pistole geschossen: „Es war halt keine Liebe!“. „Woran hast du das denn bemerkt?“, fragte ich ihn, und er antwortete mir: „Na ja, die Gefühle haben nachgelassen – glaube ich – und es war nicht so, dass ich sie jeden Tag sehen wollte und ich musste auch nicht pausenlos an sie denken“.

„Sind das deine Erwartungen an die Liebe und die Beziehung zu der Frau, mit der du eine Familie gründen möchtest?“, hakte ich nach. Und er meinte nur: „Das ist doch normal – oder nicht?“ Ich habe mich dann noch länger mit dem jungen Mann über Erwartungen an die Liebe und das Leben unterhalten. Am Ende fasste er es mit den wenigen Worten zusammen, dass seine Erwartungen wohl sein Glückskiller waren.

Das ist nur eines von vielen Beispielen, in denen Erwartungen unsere Glückskiller sind.

Doch was sind Erwartungen überhaupt? Wie werde ich mir meiner Erwartungen bewusst? Und wie kann ich Erwartungen loslassen? Darauf möchte in diesem Beitrag etwas näher eingehen.

Was sind Erwartungen?

Erwartungen sind Vorstellungen oder Überzeugungen darüber, wie Dinge ablaufen sollen oder wie Menschen sich verhalten sollten. Sie entstehen durch unsere eigenen Wünsche, Erfahrungen, Erziehung und gesellschaftliche Einflüsse. Erwartungen beziehen sich oft auf zukünftige Ereignisse oder das Verhalten von Menschen in unserem Umfeld und beinhalten Annahmen darüber, wie die Realität aussehen wird oder sollte.

Wir alle haben mehr oder weniger große Erwartungen an uns selbst, an andere, ans Leben allgemein. Erwartungen wie beispielsweise:

  • Im Job erfolgreich zu sein, immer pünktlich zu sein oder bestimmte moralische Standards einzuhalten.
  • Dass uns unser Partner/Partnerin unterstützt, dass Freunde sich regelmäßig melden oder dass Kollegen zuverlässig sind.
  • Dass das Leben einen bestimmten Verlauf nimmt, z.B. Erfolg im Beruf, Glück in der Partnerschaft oder finanzielle Sicherheit.

Schwierig wird es immer dann, wenn Erwartungen auf eine Realität treffen, die nicht den Erwartungen entspricht. Dann kommt es zu einer Enttäuschung -einem Ende der Täuschung.

Wie werde ich mir meiner Erwartungen bewusst, möglichst bevor es zu einer Enttäuschung kommt?

1. Beobachte deine Emotionen

Erwartungen zeigen sich oft in emotionalen Reaktionen, insbesondere in Frustration oder Ärger. Wenn du diese Gefühle erlebst, frage dich:

  • Warum bin ich enttäuscht oder frustriert?
  • Was habe ich von der Situation oder der Person erwartet?

Beispiel: Du fühlst dich enttäuscht, weil ein Freund dich nicht zurückgerufen hat. Dahinter steckt vielleicht die Erwartung, dass Freunde sich immer melden und jederzeit verfügbar sind.

2. Untersuche deine inneren Dialoge

Unsere Gedanken sind oft der Schlüssel zu den Erwartungen, die wir haben. Höre auf die „sollte“ oder „müsste“-Aussagen, die du in deinem Kopf formulierst. Das sind oft klare Hinweise auf Erwartungen.

  • Was denke ich, dass ich „tun sollte“ oder „sein müsste“?
  • Was erwarte ich, dass andere „tun sollten“ oder „sein müssten“?

Beispiel: Wenn du denkst: „Mein Partner sollte wissen, was ich brauche, ohne dass ich es sagen muss“, hast du eine Erwartung an deinen Partner, der er unmöglich nachkommen kann.

3. Sei achtsam im Moment

Achtsamkeit bedeutet, den gegenwärtigen Moment bewusst wahrzunehmen, ohne ihn zu bewerten. Je mehr du dich im Alltag darauf konzentrierst, was du gerade denkst und fühlst, desto klarer wird es, wann eine Erwartung auftaucht. Beobachte, wie du in bestimmten Situationen reagierst:

  • Was erwarte ich gerade in dieser Situation?
  • Bin ich in diesem Moment enttäuscht, weil die Dinge nicht so laufen, wie ich es mir vorgestellt habe?

Beispiel: Du wartest auf die Anerkennung von deinem Chef und fühlst dich frustriert, weil sie nicht kommt. Durch Achtsamkeit kannst du erkennen, dass deine Enttäuschung aus einer unausgesprochenen Erwartung nach Lob resultiert.

Deine Erwartungen bewusst zu machen, bedeutet, tiefer zu schauen und Muster in deinem Denken und Fühlen zu erkennen. Je mehr du dich selbst reflektierst, desto klarer wird, was du von dir und anderen erwartest. Diese Klarheit ermöglicht es dir, zu entscheiden, ob deine Erwartungen realistisch und hilfreich sind – oder ob es besser wäre, sie loszulassen, um freier und glücklicher zu leben.

Wie kann ich Erwartungen loslassen?

1. Erkenne deine Erwartungen

Der erste Schritt zum Loslassen von Erwartungen ist, sie zu erkennen. Wie bereits angesprochen, kannst du deine Gedanken und Gefühle beobachten, um zu sehen, wo du an bestimmten Ergebnissen oder Verhaltensweisen festhältst. Oft sind Enttäuschung, Frustration oder Stress klare Anzeichen dafür, dass eine Erwartung nicht erfüllt wurde.

2. Akzeptiere die Realität, wie sie ist

Erwartungen loszulassen bedeutet, die Realität so zu akzeptieren, wie sie ist – anstatt darauf zu bestehen, dass sie anders sein sollte. Akzeptanz bedeutet nicht, dass du passiv wirst oder keine Ziele mehr hast, sondern dass du offen für das bist, was gerade ist. Akzeptanz ist eine Schlüsselhaltung, die hilft, inneren Frieden zu finden. Übe dich darin, zu akzeptieren: Wenn Dinge anders laufen als erwartet, sage dir: „Es ist okay, dass es so ist.“ Konzentriere dich auf den Moment: Je mehr du den gegenwärtigen Moment wahrnimmst, desto weniger wirst du an Vorstellungen darüber festhalten, wie die Zukunft aussehen soll.

3. Lass die Kontrolle los

Erwartungen sind oft ein Versuch, Kontrolle über das Leben zu behalten. Wir erwarten, dass Dinge auf eine bestimmte Weise geschehen, weil wir uns sicherer fühlen, wenn wir meinen, die Kontrolle zu haben. Doch in Wirklichkeit ist das Leben oft unvorhersehbar, und viele Dinge liegen außerhalb unserer Macht. Um Erwartungen loszulassen, musst du auch lernen, die Illusion von Kontrolle loszulassen.

Erinnere dich daran, dass nicht alles in deiner Macht liegt. Dinge entwickeln sich manchmal anders, als wir es wollen, und das ist in Ordnung. Vertraue darauf, dass du auch in unerwarteten Situationen zurechtkommst und dass das Leben oft neue Möglichkeiten bietet, wenn du offen dafür bist.

Der Schlüssel liegt in der Akzeptanz, der Bereitschaft zur Veränderung und dem Vertrauen in den Fluss des Lebens.

Erwartungen loszulassen bedeutet, flexibel zu werden und das Leben so zu akzeptieren, wie es ist – mit all seinen Unsicherheiten und Überraschungen. Es ist ein Akt der Befreiung, der dir ermöglicht, mehr Gelassenheit zu finden, den Moment zu genießen und dich von dem ständigen Druck zu befreien, dass Dinge immer so sein müssen, wie du es dir vorstellst. Und damit öffnest du dem Glück die Tür.

Probiere es am besten gleich aus.

Alles Liebe – Deine Sylvia Funk