Autorin:  Sibylle Schiller • Dauer: 5 Minuten • 


Ellenbogen im Straßenverkehr. Dichtes Auffahren, Spurwechsel ohne Blinken und Vorfahrt nehmen – ist das die neue Normalität im Straßenverkehr? Freundliche Gesten wie ein kurzes Winken oder eine Entschuldigung sind seltener geworden bzw. nicht mehr vorhanden. Was spiegelt das Verhalten auf den Straßen wieder?

Was kann dahinter stecken?

Ein naheliegender Grund für das rücksichtslose Verhalten im Straßenverkehr ist der zunehmende Zeitdruck, dem viele Menschen ausgesetzt sind. In einer Welt die immer schneller wird und in der soziale Medien die Anonymität fördern, scheint es als ob die Zeit knapp und der persönliche Kontakt selten geworden ist. Der ständige Druck Termine einzuhalten, Pflichten nachzukommen und Erwartungen zu erfüllen, kann Menschen dazu bringen Risiken einzugehen und weniger Rücksicht auf andere zu nehmen. Dieser Stress kann zu einer Art Tunnelblick führen, in dem die Bedürfnisse und die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer leicht aus dem Blick geraten.

Plötzlich ist jede Sekunde die ein anderes Auto benötigt, um in den Verkehr einzufädeln eine gefühlte Ewigkeit und das Überholen wird zum notwendigen Akt der Selbstbehauptung. Die Straße wird als Arena des Wettbewerbs betrachtet und das Auto als Instrument zur Durchsetzung der eigenen Ansprüche. Mein Auto, meine Zeit, mein Platz auf der Straße, mein Recht – das Resultat: Hektik, Anspannung und aggressives Fahrverhalten. Die Fähigkeit zur Empathie und Rücksichtnahme bleibt auf der Strecke – im wahrsten Sinne des Wortes.

Das Auto ist unser Schutzraum, ein Puffer der uns von anderen Verkehrsteilnehmern abschirmt. Die Soundanlage verstärkt diese Abschottung, indem die laute Musik das Motorgeräusch übertönt – gefühlt befinden wir uns in unserem eigenen kleinen Kosmos.

Wo bleibt die Achtsamkeit?

Achtsamkeit bedeutet, nicht nur auf eigene Gedanken und Gefühle zu achten, sondern auch auf den Umgang mit anderen. Im Straßenverkehr heißt das, zu erkennen, dass jede Aktion – ob abruptes Bremsen, riskantes Überholen oder Schneiden – Auswirkungen auf andere hat. Auch sie sind gestresst, müde und wollen sicher nach Hause kommen.

Das Miteinander

Anstatt uns von Stress und Druck leiten zu lassen, sollten wir den Straßenverkehr als gemeinsamen Raum sehen. Gerade Rücksichtnahme und kleine Gesten wie ein Dankeswinken fördern ein Gefühl der Gemeinschaft und Achtsamkeit, indem wir andere Verkehrsteilnehmer als Menschen wahrnehmen, nicht als Hindernisse. Die Straße sollte ein Raum sein, in dem gelebtes Miteinander seinen Platz hat.

Kann Ayurveda dabei helfen?

Im Ayurveda ist Rajas eine der drei Gunas, die unser Verhalten und Denken beeinflussen. Sattva steht für Ausgeglichenheit, Tamas für Trägheit, und Rajas für Aktivität und Unruhe. Rajas fördert Motivation und Kreativität, doch ein Übermaß durch Stress oder ungesunde Gewohnheiten kann zu Hektik und aggressivem Verhalten führen. Schon allein dieses Wissen, das wir in der Lage sind durch Veränderungen im Alltag gegenzusteuern, ist für mich alleine schon eine Beruhigung.

Durch regelmäßige Ruhepausen, nährendes und selbst gekochtes Essen, bewusstes Atmen, Achtsamkeit und einen geregelten Tagesablauf, können wir Rajas ausgleichen – und so ein ruhigeres, harmonischeres Leben fördern, das weniger von äußeren Reizen beeinflussbar ist.

Bewusst werden – der Anfang zur Veränderung

Fühlen Sie sich ertappt? Kommen Sie nach einer Autofahrt oft total erschöpft an, weil es eher ein Kampf als eine Fahrt war? Vielleicht hilft es, erst mal tief durchzuatmen und das eigene Verhalten kurz zu überdenken. Gestern habe ich einem forsch auftretenden Autofahrer der mir die Vorfahrt nahm, einfach zugelächelt und ihm freundlich gewinkt. Natürlich erst nach dem ich „t i e f“ Luft geholt habe. Sein Gesicht war es absolut wert!

Machen Sie doch den Anfang!

Ihre Sibylle Schiller