Autor|in: Thomas Schönmetz • Lesezeit: 7 Minuten •
Entscheidungen treffen – angenehm bis grausam! Zirka 20.000 Entscheidungen treffen wir jeden Tag. Vieles entscheiden wir unbewusst und manches bewusst. Einige Entscheidungen fallen uns leicht und bei anderen Entscheidungen tun wir uns schwer und holen uns oft Rat bei Freunden oder Bekannten. Entscheidungen zu treffen ist eine hochinteressante Thematik und das Thema Achtsamkeit kann hier ein äußerst hilfreiches Werkzeug sein.
Schokolade oder Vanille – relativ einfach
Wenn es darum geht, ob ich nun einen Vanille-Eisbecher nehme oder einen Schoko-Eisbecher, so ist die Komplexität zweifelsfrei noch sehr überschaubar. Es wird den meisten Menschen leicht fallen, sich für einen der beiden Eisbecher zu entscheiden. In diesem Fall wird sicher das persönliche Gusto mit Leichtigkeit eine Entscheidung herbeiführen. Konsequenzen für dritte hat es nicht, somit dürfen Moral und Ethik eher im Hintergrund bleiben. Und selbst wenn im Nachhinein die Entscheidung sich als falsch herausstellt, so hat diese „scheinbar falsche“ Entscheidung keine bedrohlichen Konsequenzen.
Kursteilnahme – auch noch einfach
Ich will mich für oder gegen die Teilnahme an einem Kurs entscheiden. Der Kurs findet achtmal statt. Nun gefällt mir zwar der Inhalt, doch habe ich Sorge, dass ich mit den anderen TeilnehmerInnen in den geplanten Gruppenarbeiten nicht zurecht komme. Ich entscheide mich nach einigem hin und her für eine Teilnahme und es stellt sich am Ende heraus, dass die anderen Teilnehmer nicht meine Wellenlänge hatten. Doch diese „scheinbar falsche Entscheidung“ wird mein Leben nicht aus der Bahn werfen, denn nach den 8 Terminen ist das Thema abgeschlossen. Entscheidungen treffen
Doch wir entscheiden nicht nur über Eisbecher-Varianten oder Kurs-Teilnahmen. Oft haben Entscheidungen auch Folgen – Folgen für mich und Folgen für andere Menschen – kurzfristige Folgen oder langfristige Folgen. Und jetzt wird die Thematik schon etwas spannender. Folgen für mich und andere – was kann das heißen?
Anspruchsvoller, aber noch machbar
Beispiel: Ich könnte durch eine berufliche Entscheidung etwas mehr Privilegien am Arbeitsplatz bekommen als meine KollegenInnen. Das ist ja noch irgendwie zu vertreten – oder nicht? Meinen KollegenInnen geht es ja durch meine Entscheidung nicht schlecht oder schlechter – mir geht es eben etwas besser. Zwar ist hier jetzt die Komplexität schon etwas grösser – doch auch solch eine Entscheidung ist noch überschaubar, tragbar und machbar.
Angst macht sich breit
Sich für eine neue Arbeitsstelle zu entscheiden ist dann schon etwas schwieriger. Mit dem bisherigen Job war man „eigentlich“ schon „irgendwie“ zufrieden, doch man will ja weiterkommen im Leben. Hier kommen nun Ängste ins Spiel. Auf der einen Seite das Bekannte, was nicht schlecht war – auf der anderen Seite das Neue, das Unbekannte. Risiko und Reiz stehen im Focus – die Achterbahn läuft an. Man weiß nicht, wie man sich entscheiden soll. Da ist diese große Angst – die Angst, dass es vielleicht schlechter wird. Und wer will das schon? Es fehlen einfach klare Fakten für eine gelassene und sichere Entscheidung. Durch die Risiken steigen Ängste auf, die einen bewegen – es wird emotionaler. Nicht wenige Menschen holen sich Rat im sozialen Umfeld, was zu verstehen ist. Doch bringen einen hier Ratschläge wirklich weiter, oder verunsichern sie noch mehr? Entscheidungen treffen
Auch bis hier ist das Thema Entscheidung noch irgendwie machbar – man kann es hinbekommen.
Entscheidungen haben jedoch auch das Potential zur Grausamkeit!
Hier gibt es einen Test von der Philosophin Philippa Foot aus dem Jahre 1957. Der Test nennt sich das „Trolley-Dilemma“. Und jetzt bekommt die Thematik Entscheidungen ein bisschen etwas „grausames“.
Wenn sie angeschnallt sind geht es los … bereit?
Test 1
Ein Zug ist außer Kontrolle geraten und rast auf 5 nichtsahnende Gleisarbeiter zu. Sie als Beobachter stehen an einer Weiche und könnten den Zug auf ein anderes Gleis leiten, auf dem nur ein Mann läuft. Sie können fünf Menschenleben retten, müssten jedoch eines opfern. Wie entscheiden sie sich? Welche Möglichkeiten haben sie? Noch ein Hinweis: sie können den Zug nicht stoppen – falls sie daran denken. Zur Umsetzung ihrer Entscheidung steht ihnen eine Weiche zur Verfügung – eine mechanische Einrichtung, welche sie betätigen können.
Möglichkeit a. | sie entscheiden sich dazu die Weiche so stehen zu lassen, wie sie steht. Das Ergebnis sind dann 5 Tote und ein geretteter Mensch.
Möglichkeit b. | sie entscheiden sich dazu, die Weiche umzulegen. Sie opfern dann ein Menschenleben und retten die 5 Gleisarbeiter.
Etwa 80 Prozent der bislang Befragten entscheiden sich dazu, den Hebel umzulegen, wenn man sie in Experimenten vor diese Wahl stellte. Ihre Entscheidungsfindung beruhte auf folgendem Gedanken: 5 Menschenleben wiegen mehr als eines.
Was würden sie tun? Entscheidungen treffen
Test 2
Ein Zug rast auf 5 nichtsahnende Gleisarbeiter zu. Sie als Beobachter stehen auf einer Brücke. Auf dieser Brücke steht ein sehr dicker Mann an der niedrigen Brüstung und fotografiert Züge. Sie können nun die 5 Gleisarbeiter retten, indem sie den dicken Mann von der Brücke stoßen (Hinweis: es gibt in dieser Situation keine weitere Alternative!). Dann wird der Zug eine Notbremsung einleiten und die 5 Gleisarbeiter wären gerettet. Wie entscheiden sie?
Möglichkeit a. | sie entscheiden sich dazu, nicht einzugreifen und die 5 Gleisarbeiter sterben.
Möglichkeit b. | sie stoßen den dicken Mann von der Brücke und retten damit die 5 Gleisarbeiter.
Vergessen sie bei ihrer Entscheidung bitte nicht, dass jetzt keine mechanische Einrichtung für ihren Eingriff zur Verfügung steht, sondern sie müssten jetzt diesen Mann töten. Sie müssten den dicken Mann anfassen und von der Brücke stoßen.
Im Vergleich zum ursprünglichen Szenario (Test 1) waren nur noch 18 Prozent der bisherigen Probanden dazu bereit, den dicken Mann zum Wohle der anderen zu opfern. Es war das „Töten“, das die Teilnehmer abschreckte.
Und auch hier dürfen sie nun darüber nachdenken, wie sie handeln würden. Entscheidungen treffen
Test 3
Dieser dritte Test stellt nun den Test 1 völlig auf den Kopf. Warum? Weil es jetzt zusätzliche Informationen gibt! Und diese Informationen zeichnen ein völlig neues Bild und stellen die ursprüngliche Entscheidung vielleicht in Frage.
Wiederholung Test 1 – jedoch mit neuen Informationen!
Ein Zug ist außer Kontrolle geraten und rast auf 5 nichtsahnende Gleisarbeiter zu. Sie als Beobachter stehen an einer Weiche und könnten den Zug auf ein anderes Gleis leiten, auf dem nur ein Mann läuft. Sie können fünf Menschenleben retten, müssten jedoch eines opfern. Wie entscheiden sie sich? Welche Möglichkeiten haben sie? Auch jetzt können sie den Zug nicht stoppen!
Doch nun erhalten sie noch Informationen zu den 5 Gleisarbeitern und dem einen Mann, der ebenfalls auf den Schienen steht. Bei den 5 Gleisarbeitern handelt es sich um 5 Strafgefangene, die allesamt mehr als 30 Menschen auf grausamste Weise ermordet haben. Im Rahmen ihres Strafvollzugs müssen sie nützliche Arbeit verrichten und reparieren u.a. Bahnanlagen.
Bei dem einen Mann auf dem Parallelgleis handelt es sich um einen berühmten „Herz-Chirurgen“ der durch seine „neuartige OP-Methode“ schon tausenden von Menschen das Leben rettete. Er sucht die Bahngleise ab, weil sein geliebter Hund (Lassie) verschwunden ist.
Und jetzt wieder sie. Was tun sie jetzt? Wie entscheiden sie jetzt?
Das Ergebnis aus dem Kreis der Probanten stellt sich nun komplett auf den Kopf. Statt der ursprünglichen 80 Prozent wollten nur noch 20 Prozent den „einen Mann“ auf dem Parallelgleis opfern. 80 Prozent entschieden sich jetzt, die 5 Bahnarbeiter zu opfern. Entscheidungen treffen
Das Dilemma – die Zwickmühle
Was zur gesamten Testreihe zu sagen ist: es handelt sich bei allen Tests um eine Dilemma-Situation. Ein „Dilemma“ steht übersetzt für „Zwickmühle“, wo sie nur zwischen 2 unguten Dingen entscheiden können. In einer Dilemma-Situation ist man hin- und hergerissen zwischen Moral, Ethik, Gesetzgebung und scheinbar einfachen Rechenaufgaben wie „FÜNF ist mehr als EINS“.
Hier beenden wir die Testreihe und lassen das zuvor Geschriebene einfach so stehen wie es steht.
Gehen wir doch wieder zum Anfang zurück und fragen uns, was uns bei grösseren oder schwierigen Entscheidungen wirklich helfen kann?
Helfen wird ihnen (nicht „kann“ oder „könnte“) ein klarer Geist. Eine klare Sicht und ein klarer Geist wird ihnen „ohne jeglichen Zweifel“ dabei helfen, eine gute Entscheidung im jetzigen Moment zu treffen. Ob es nun eine Entscheidung ist, die nur sie betrifft oder ihre Entscheidung auch Auswirkungen auf andere Menschen hat, ist dabei egal.
Einen klaren Geist bekommen?
Doch wie kommen sie zu einem klaren Geist? Hier sind Werkzeuge aus der „Achtsamkeitsthematik“ äußerst hilfreich. Bspw. kann ihnen regelmäßige Meditation helfen, das ihr Geist klarer und klarer wird. Durch die regelmäßige Praxis der Meditation vermeiden sie, dass sie nicht aus einer „emotionsgeladenen“ Situation heraus, falsche Entscheidungen treffen, die evt. fatale Folgen für sie und andere Menschen haben kann.
NEIN – ich bin nicht dagegen!
Und nein – ich bin nicht gegen Emotionen! Emotionen gehören zum Leben eines Menschen. Emotionen sind etwas Wunderbares. Doch sie sollen sich nicht von ihnen „beherrschen“ lassen. Denn spontane Entscheidungen, die aus wut- oder angstgetränkten Verfassungen heraus getroffen werden, brachten noch nie gute Ergebnisse! Auch das Bauchgefühl ist ein exzellentes Navigationssystem im Leben. Doch wenn sie von Gedanken und Gefühlen unkontrolliert durchgeschüttelt werden, dann werden sie ihr wertvolles Bauchgefühl nicht einmal wahrnehmen können. Entscheidungen treffen
Und Sie dürfen sich nun ihre Gedanken zu ihren Entscheidungen machen – wenn sie wollen.
Thomas Schönmetz
Spannend – und das macht unser Gehirn weitgehend selbständig 20000x – Tag für Tag. Auch wenn die Geschichte „konstruiert“ ist, trotzdem enorm, wie wir uns durch Emotionen leiten lassen.Gut, dass es ein Bauchgefühl gibt. Darauf ist (meistens) Verlass.