Autorin: Andrea Weber • Lesezeit: 7 Minuten • Artikel auch als Podcast •
Immer wieder im Jahresverlauf wünsche ich Freunden oder Bekannten Glück. Das sind Glückwünsche zu Geburtstagen oder vor Herausforderungen wie z.B. Prüfungen. Bei letzteren ist es klar, was mit Glück gemeint ist – nämlich dass die Prüfung bestanden wird.
Nicht so bei den Glückwünschen zu Geburtstagen. Ich frage mich beim Schreiben der Geburtstagskarte, was bedeutet Glück für diesen Menschen. Es gibt so viele Facetten von Glück. Da ist beispielsweise das „Glück haben“ mit dem Aspekt eines positiven Zufalls im Sinne einer glücklichen Laune des Schicksals – vielleicht eine Überraschung.
Für den einen mag dies ein Lottogewinn oder PS-starkes Auto sein. Für den anderen bei glatter Straße ins Schleudern gekommen und nicht im Acker gelandet zu sein. Oder wird versucht „das Glück zu finden“ in einer Beziehung, in Form einer Tätigkeit, durch eine richtige Entscheidung, oder eine Reise. So verschieden die Menschen, so verschieden der Maßstab für Glück.
Das Streben nach Glück
Dies steht zum Beispiel als Recht eines jeden Bürgers in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten. Meine Überlegungen zum Begriff Glück führten mich auch zu Bhutan, dessen König bereits in den 60er Jahren Glück für die Bevölkerung als Entwicklungsziel erklärte.
In der Folgezeit wurde der Begriff des Brutto-Nationalglücks – anstatt des Bruttoinlandsprodukts – geprägt. Aber nicht nur Bhutan beschäftigt sich mit den Aspekten die zu Wohlbefinden und Glück führen, sondern auch die UNO. Hierfür wurden nachhaltige Entwicklungsziele formuliert, um dieses Ziel zu erreichen. Der internationale Tag des Glücks am 20. März soll die Bedeutung von Glück und Wohlbefinden im Leben eines jeden Menschen weltweit deutlich machen.
Glück für das Geburtstagskind
Nach dem Blick über den Rand der Geburtstagskarte hinaus, zurück zur Frage, was wünsche ich dem Geburtstagskind? Was wäre wünschens-wert? Weitere Überlegungen führen mich zur Frage: welche Wünsche hat das Geburtstagskind? Ist es vielleicht die Zufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation?
Mit den Wünschen ist es so eine Sache. Sie beinhalten häufig ein Haben-wollen und resultieren vielleicht unterschwellig aus einer Unzufriedenheit mit der jetzigen Situation. Beides kann die Sichtweise in der Art beeinflussen, dass das Negative mehr in den Vordergrund gerückt wird und das Positive aus dem Blickfeld verschwindet – was letztlich nicht glücklich macht.
Wenn Wünsche nicht in Erfüllung gehen, ist Enttäuschung eine häufige emotionale Reaktion darauf. Wie also damit umgehen? Vielleicht ist ein Gedicht „Das Ideal – von Kurt Tucholsky“ eine Anregung, in dem Wünsche und Glück thematisiert werden. Es beginnt mit den Zeilen:
„Ja, das möchste“:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn –
aber abends zum Kino hast dus nicht weit.“
Neun Zimmer, – nein, doch lieber zehn!
Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,
Radio, Zentralheizung, Vakuum,
eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm,
eine süße Frau voller Rasse und Verve,
und eine fürs Wochenend, so zur Reserve,
eine Bibliothek und drumherum,
Einsamkeit und Hummelgesumm.
Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste,
acht Autos, Motorrad – und alles lenkste
natürlich selber – das wär ja gelacht!
Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.
Ja, und das hab ich ganz vergessen,
Prima Küche – erstes Essen.
Alte Weine aus schönem Pokal.
und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.
Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.
Und noch ne Million und noch ne Million.
Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.
Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.
Ja, das möchste!
„Aber wie das so ist hienieden:
manchmal scheints so, als sei es beschieden
nur pö-a-pö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Hast du Geld, dann hast du nicht Käthen;
hast du die Frau, dann fehln dir Moneten –
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.
Etwas ist immer – tröste dich.
Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Daß einer alles hat – ja das ist selten.“
von Kurt Tucholsky
Betrachten wir Gendün Rinpoche, ein tibetischer Lama, der einen ganz anderen Zugang zu Glück hat – er sagt: „Glück findet sich nicht mit dem Willen oder durch große Anstrengung. Es ist immer schon da, vollkommen und vollendet, im Entspannen und Loslassen.“
Letztendlich ist es nun an mir, mich immer wieder mit diesem Thema auseinanderzusetzen und mir meine Meinung zu bilden. Und Glückwünsche aussprechen zu können, die nicht in Unzufriedenheit gründen, sondern in einem tiefen Verständnis der Ursachen von Glück.
Ihre Andrea Weber
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