Autorin: Susanne Schönmetz • Dauer: 6 Minuten • 


Stabil und leicht. Das widerspricht sich erst mal, doch wenn wir beide Eigenschaften vereinen ist es Yoga. Mit nur drei Worten beschreibt Patanjali in den Yogasutras die Eigenschaften von Asana: „Sthira sukham asanam“ Yogasutra 2.46

Sthira bedeutet fest, stabil, stark, wach- und aufmerksam.
Sukha steht für leicht, angenehm, entspannt und locker.

Wir sollen in unserer Asana-Praxis stabil und leicht, fest und entspannt sein. Stabil und leicht

Asanas

Zu Zeiten von Patanjali gab es die Asanas wie wir sie heute im Hatha Yoga üben noch nicht. Mit Asana war der Meditationssitz gemeint. Um sich ganz auf die Meditation einzulassen ist es wichtig, dass wir uns in unserem Körper wohlfühlen. Wir benötigen entsprechend starke und gleichzeitig entspannte Muskeln um über längere Zeit regungslos zu sitzen. Sonst kann es sein, dass wir bereits nach wenigen Minuten in uns einsinken, uns vielleicht bewegen oder korrigieren müssen, weil wir Schmerzen haben oder ein Körperteil eingeschlafen ist. Wir benötigen „sthira“ für ein stabiles Fundament und „sukha“ um loszulassen und uns einzulassen. Nur dann werden wir nicht abgelenkt durch unseren schmerzenden Körper und können uns ganz der Meditation hingeben.

Wir können die von Patanjali genannten Prinzipien auf alle Haltungen des Yoga übertragen. Stabil und leicht

Zeit & Praxis

Wir brauchen Zeit und eine regelmäßige Praxis, dann wird unser Körper mit der Zeit kräftiger, beweglicher und irgendwann müssen wir uns dann weniger bemühen und anstrengen, damit die Festigkeit und Stabilität angenehm und leicht ist. Wir müssen aktiv werden um stabil und fest zu werden und gleichzeitig gilt es loszulassen und zu entspannen. Können wir unsere Haltung in einem idealen Mix aus Stärke und Leichtigkeit einnehmen, entsteht Raum für meditative Konzentration und Achtsamkeit. Stabil und leicht

Sind wir achtsam mit unserem Atem und Körper bekommen wir Antworten zu unserer Ausrichtung und erkennen ob wir im Sinne von Stabilität und Leichtigkeit üben. Wenn wir uns zu sehr anstrengen, den Atem anhalten, unsere Muskeln verhärten, sich unsere Gesichtsmuskeln verkrampfen üben wir nicht mehr im Sinne von Yoga. Dies ist ein Signal dafür, dass wir einen Schritt zurück gehen dürfen um mehr Leichtigkeit in unsere Bemühungen zu bringen. Wir akzeptieren unsere Grenzen und praktizieren unsere Übungen so, dass sie zu uns passen.

Selbsterfahrung

Wenn wir Yoga üben können wir viel über uns selbst erfahren und die Bewusstheit für Körper und Geist üben. Wenn wir zum Beispiel die Baumhaltung üben und achtsam praktizieren, können wir unsere unbewussten Angewohnheiten erkennen. Vielleicht halten wir den Atem an und wir halten mit unserem Körper sehr viel Anspannung fest. Wir ziehen die Schultern hoch, beißen die Zähne zusammen, verzerren das Gesicht und wehren uns dagegen uns zu wiegen wie ein Baum. Wir wollen unbedingt das scheinbare Ideal anstreben, sind unzufrieden mit uns selbst und ärgern uns, wenn es nicht klappt. Stabil und leicht

Wir könnten den Baum auch ganz ziellos üben und machen es uns angenehm in unserer Praxis. Wir können mit Freude und Spaß unsere Möglichkeiten ausprobieren. Wir bleiben bei unserem Atem. Die Mundwinkel ziehen wir zu einem kleinen Lächeln nach oben und entspannen unser Gesicht und dann lockert sich auch unser Geist. Wenn der Geist entspannt ist wird es leichter und müheloser. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass alles was ich mit Freude tue, leicht ist. Stabil und leicht

Wir erfahren auch, dass Balance nicht statisch ist, sondern ein stetiger Prozess. Der Fuß auf dem wir stehen macht immer kleinste Ausgleichsbewegungen um uns stabil zu halten. Und wenn es dann doch zu sehr wackelt und wir den anderen Fuß abstellen müssen, haben wir immer die Möglichkeit von Neuem zu beginnen. Ist unser Geist auch dann noch entspannt, wenn wir wackeln, dann praktizieren wir wirklich Yoga. Stabil und leicht

Natur als Vorbild

Nehmen wir die Natur zum Vorbild und stellen uns einen wirklichen Baum vor. Dieser ist mit seinen Wurzeln gut in der Erde verankert und hat stabilen Stamm, der ihn aufrichtet. Aber gleichzeitig sind die Äste und Zweige auch biegsam und flexibel und bewegen sich mit Leichtigkeit im Wind. Diese Prinzipien der Natur können wir auf unser ganzes Leben anwenden. Es sind die Qualitäten die wir bei all unseren Handlungen brauchen, nicht nur wenn wir Asanas üben. Als erstes brauchen wir eine stabile Grundlage. Wenn wir gut verwurzelt sind in unserem Leben und unseren Beziehungen fällt es uns leichter loszulassen und uns auf die Dinge einzulassen die das Leben für uns bereithält. Stabil und leicht

Wir dürfen die Bodenhaftung nicht verlieren und leichtfertig werden und gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass die Stabilität nicht hart oder starr wird. Oft sind wir gefangen in unserm Leistungsalltag. Wir streben nach Werten die uns die Gesellschaft auferlegt hat. Bei all dem Streben nach Erfolg, Gesundheit, Besitztümern, gut geratenen Kindern, harmonischen Beziehungen kann es sein, dass wir ganz schön Stress haben. Und wenn wir gestresst sind versuchen wir mit noch mehr Kraft und Stärke auf die Situation zu reagieren.

Wir verkrampfen mental und emotional und dadurch passiert dasselbe mit uns wie beim Yoga, wenn wir nicht auf „sthira und sukha“ achten. Unser Atem wird flach, wir beißen die Zähne zusammen und unsere Körpermuskeln verkrampfen sich unnötig. In solchen Situationen täte uns ein bisschen mehr Leichtigkeit besonders gut. Wir akzeptieren wer wir sind und lassen die Anstrengung los und leben entsprechend unserer eigenen Natur. Achtsamkeit ermöglicht uns unsere wahre Natur zu erkennen und dann braucht es eine große Portion Mut sie auch zu leben. Stabil und leicht

Natürlich lässt sich das nicht so einfach umsetzen, doch wir können es anstreben und üben. Immer wieder auf ein Neues. Nehmen wir doch die Qualitäten von Stabilität und Leichtigkeit als Leitgedanken für unsere Yogapraxis und alle Aspekte unseres täglichen Lebens. Reiseführer

Ihre Susanne Schönmetz