Autorin: Jennifer Wassermann • Dauer: 6 Minuten • 


Das Zeitkonfetti-Phänomen – warum wir so zeitarm sind: Viel wird über unseren Stress, mangelnde Zeit und vor allem darüber geschrieben, wie wir Zeit gewinnen könnten. Darum soll es hier nicht gehen. Mir ist vor kurzem das Zeitkonfetti-Phänomen untergekommen und es hat mich zum Nachdenken gebracht, wie ich denn meine Zeit verbringe und inwiefern das Phänomen auf mich zutrifft.

Zeitarmut

Worum geht es? Unsere Zeitarmut resultiert nicht unbedingt aus einem Missverhältnis zwischen Stunden, die wir haben und jenen die wir brauchen. Es geht darum, wie wir die Stunden wertschätzen und darüber denken. Wir arbeiten nicht mehr Stunden, aber zu jeder Stunde. Immer sind wir mit allen und allem verbunden. Haben wir einen Moment Freizeit, so wissen wir nicht was wir damit anfangen sollen und verschwenden sie. Zeitkonfetti

Zum Beispiel benutzen wir unsere Handys, um Autonomie darüber zu gewinnen wann, wie und wie lange wir arbeiten, ironischerweise mit der Konsequenz, dass wir immerzu arbeiten. Früher gab es lange Zeiten, die frei waren und genossen werden konnten. Nun wird diese Zeit ständig von Mobiltelefonen, Tablets oder Smartwatches unterbrochen. Wer kennt das nicht, dass man einfach zum Gerät greift, wenn man weiß, dass eine Nachricht gekommen ist.

Unterbrechungen

Diese Unterbrechungen fragmentieren unsere Zeit in einer Weise, dass wir die sie nicht mehr in einem Stück für eine Tätigkeit oder auch Untätigkeit nutzen können, die Stress abbaut oder auch Freude macht. Jeder einzelne Zeitschnipsel klingt nicht schlimm, aber gemeinsam in Summe entstehen Zeitdiebe. Zeitkonfetti

Konfetti-Beispiel

Ein Beispiel für das klassische Zeitkonfetti: Es ist 19 Uhr und Sie haben eine Stunde Zeit und nehmen sich vor ein Buch zu lesen. In dieser Stunde kommen 2 Mails, eines davon beantworten Sie kurz, dann schauen Sie noch schnell auf einem Social-Media-Kanal etwas nach, lesen ein paar Posts, dann gibt Ihnen das Phone noch eine Terminerinnerung für morgen früh und aus einer WhatsApp Gruppe kommen mehrere Nachrichten für ein baldiges Treffen. Jedes einzelne Ereignis wäre nicht störend und dauert auch nur wenige Sekunden. In Summe aber haben sie ein gutes Stück von der freien Stunde abgeknapst und gleichzeitig das Lesen des Buches immer wieder unterbrochen, sodass Sie nur schwer die Entspannung oder die Freunde des Lesens genießen konnten.

Wahrscheinlich sind Sie nach dieser Stunde angespannter als vorher. Vor allem die Qualität der Freizeit ist gering, da viele dieser Aktivitäten uns daran erinnern, dass wir etwas tun sollen oder müssten. Es entsteht das Gefühl einer ständigen Gehetztheit, obwohl eigentlich gerade Zeit zum Ausruhen vorhanden wäre. Es kostet uns wiederum Zeit uns von den Unterbrechungen zu erholen, wir genießen die freie Zeit weniger. Im Rückblick haben wir das Gefühl, dass die Freizeit kürzer war als sie tatsächlich war. Zeitkonfetti

Ursachen

Die Kommunikationstechnik ist aber nicht der alleinige Verursacher der Zeitnot. Wir glauben auch, dass mehr Geld glücklicher als mehr Zeit macht. Sobald wir aber genug Geld verdienen, um unsere Grundbedürfnisse zu erfüllen (Rechnungen bezahlen, für die Zukunft etwas anlegen und am Wochenende Spaß haben) trägt ein höheres Einkommen nicht mehr zu unserem Glück bei. Wir kommen aber gar nicht auf die Idee Geld gegen Zeit zu tauschen, vor allem weil der Wert von Zeit so schwer messbar ist. Zwei Beispiele dafür: Ich fahre viele Kilometer zu einer Tankstelle, um günstiger zu tanken oder ich buche einen billigen Flug, bei dem ich um 4 Uhr am Flughafen sein muss und 2-mal umsteige. Das gewonnene Geld ist uns wichtiger als die Zeit, die wir hätten gewinnen können. Zeitkonfetti

Ich denke jeder von uns kann ohne großartige Umstellung aller Lebensgewohnheiten mal in sich gehen und ehrlich hinterfragen wie und womit die Zeit verbracht wird. Sich auf den Grund gehen in welchen Situationen und warum man Gehetztheit und Stress empfindet und damit seinen eigenen Zeitdieben auf die Spur kommen.

Übrigens, während ich den Artikel geschrieben habe hat 2-mal das Telefon geläutet, es kam ein Mail und 5 WhatsApp Nachrichten …

Ihre Jennifer Wassermann