Autorin:  Jessica Granitza • Dauer: 5 Minuten


Fake-News? Vielleicht beschäftigen sich die Menschen heute mehr denn je mit der Frage, was „echt“ ist und was „künstlich“ oder einfach „fake“. Können wir unserer Wahrnehmung noch trauen bei all den bearbeiteten Bildern, Videos, Stimmbearbeitungsprogrammen und der neuen, scheinbar allwissenden Instanz, die nahezu alle erdenklichen Fragen beantworten kann.

Wahrnehmung

Wie selbstverständlich nehmen wir an, dass unsere Wahrnehmung nur von außen getäuscht werden kann. Von außen, das heißt durch eine andere Person oder eine Software, die die Wirklichkeit verändert und uns darüber zu täuschen versucht.

Und dabei sind wir vermutlich ziemlich selbstbewusst im Hinblick auf unsere Wahrnehmung, denn wir sind uns unserer Wahrnehmung eigentlich ziemlich sicher. Die Täuschung muss schon echt gut gemacht sein, damit wir das nicht merken.

Zu Recht?

Ist unsere Wahrnehmung wirklich so gut wie wir meinen? Werden wir nicht auch von innen getäuscht – durch unser eigenes Gehirn? Und vielleicht viel häufiger, als wir meinen? Tatsächlich produziert unser Gehirn falsche Schlussfolgerungen und spiegelt uns falsche Tatsachen vor, weil es einfacher bzw. energiesparender ist, eine falsche Hypothese zu korrigieren, als sämtliche Möglichkeiten gedanklich zu überprüfen. Unser Gehirn arbeitet grundsätzlich so energiesparend wie möglich.

Unser Gehirn

Zudem ist unsere über die Sinnesorgane erfolgende Wahrnehmung immer eine Interpretationsleistung unseres Gehirns. Und eine Interpretation bedeutet Einordnung und Bewertung. Unser Gehirn ordnet also Informationen, die von außen kommen, ein und bewertet diese. Jede einzelne. Das fängt schon damit an, dass die eingehenden „Informationen“ (Reize) danach bewertet und gefiltert werden, ob diese so relevant sind, dass sie weiterverarbeitet – und interpretiert – werden oder ob sie für uns unwichtig sind.

In unserem Gehirn kommen die äußeren Reize als elektrische Signale an, die die Sinnesorgane produzieren. Wenn wir z.B. Licht sehen, kommt nicht ein Licht im Gehirn an, sondern lediglich elektrische Signale, die unser Gehirn entsprechend deutet. Denn unser Gehirn ist ein geschlossenes System.

Die Einordnung eines eingehenden elektrischen Signals im Gehirn ist dabei keinesfalls objektiv, sondern hängt von der Summe unserer Erfahrungen, Prägungen, Erwartungen und unserem aktuellen emotionalen Zustand ab. Daher nehmen zwei Menschen die gleichen Informationen unter Umständen sehr unterschiedlich wahr. Woraus folgt, dass es nicht eine Wirklichkeit gibt. Vielmehr hat jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit – und diese hat er auch nur solange, bis dem Gehirn neue Informationen zur Verfügung stehen, die zu einer Anpassung und Erneuerung dieser Wirklichkeit führen.

Wir kennen das alle: Wir haben ein bestimmtes Bild von einer Person oder Situation und erfahren plötzlich etwas dramatisches Neues. Und auf einmal stellt sich die Sache in „einem ganz anderen Licht“ dar. Unser Gehirn passt unsere Wirklichkeit an die neuen Informationen an. Unsere uns so sicher erscheinende Wirklichkeit ist immer nur ein vorübergehendes Konstrukt, um uns Orientierung zu geben.

Und dieses Konstrukt ist eine Einordnung anhand unserer Vergangenheit, also anhand all unserer gelösten und auch ungelösten Konflikte. Aber nicht nur die individuellen Erfahrungen spielen eine Rolle, sondern auch die kollektiven Erfahrungen und familiären oder kulturellen Prägungen. Und diese bestimmen, wie die Wirklichkeit aussieht, die wir sehen und in der wir leben. Welche Emotionen in uns anspringen hängt davon ab, in welcher Wirklichkeit wir uns bewegen.

Der achtsame Blick

Mit einem achtsamen Blick können wir unsere Wahrnehmung öffnen und uns den Dingen so annähern, wie sie sind. Indem wir uns unserer Bewertungsmuster bewusst werden, können wir frei von erlernter Interpretation, frei von Erwartungen und Unterstellungen anhand unserer guten oder schlechten Erfahrungen, die Dinge erstmal wahrnehmen, ohne diese nach gut/böse zu beurteilen.

So können wir unsere eigene Wirklichkeit freier gestalten und weniger Konflikte und mehr Zufriedenheit erleben.

Ihre Jessica Granitza