Autor: Thomas Schönmetz  • Dauer: 7 Minuten auch als Podcast


„Auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein, bewusst, im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen“. So definiert Prof. Jon Kabat-Zinn „Achtsamkeit“. (Prof. Jon Kabat-Zinn – Vater des MBSR Kurses)

Nun ja, … das sagt sich so leicht. Kaum hat man den ersten Bissen dieser Aussage geschluckt, schon verfällt man beim „aufmerksam sein“ hinsichtlich eines neuen Sachverhalts wieder in gewohnte Muster.

Doch welche Muster sind das? Was heißt „gewohnt“? Galilei – der Querkopf

Es wirken immer gerne Muster, die uns beigebracht wurden – ich meine von Kindheit an. Gerne folgt man auch allgemeinen gesellschaftlichen Normenregeln bei der Betrachtung, die irgendein schlauer Kopf mal aufgestellt hat. Oder es sind die Medien, die eine allgemeine Haltung zu einem bestimmten Thema transportieren. Es gibt tausende Dinge, die man betrachtet und nach Mustern sofort bewertet.

All diese Bewertungen entstehen im Kopf natürlich in Sekundenbruchteilen … man sieht hin … und schwupp schon ist es in einer Schublade, sei es ein menschliches Verhalten, ein Sachverhalt, eine Situation, eine Meinung, eine Entscheidung, ein Vorfall, ein Thema, eine Person … oder oder oder. Galilei – der Querkopf

Doch was kann passieren, wenn man eine Betrachtung zu schnell bewertet und/oder zu schnell urteilt. Welche gewaltigen Folgen kann ein zu schnelles „unachtsames“ Betrachten und Bewerten haben.

Galileo Galilei – der Querkopf

Galileo Galilei und sein Buch „Dialogo“ – eine äußerst beeindruckende Geschichte.

Dialogo„Dialog über die zwei hauptsächlichen Weltsysteme“ hieß das Buch, das der Pisaner Galileo Galilei im Jahr 1632 veröffentlicht hatte. Er verteidigte darin die Lehre des Copernikus, der zufolge die Erde sich um die Sonne drehe. Der Autor erntete damals nur wenig Lob für sein Werk – seine Gegner (vornweg die Kirche) erwirkten noch im selben Jahr ein Verbot des Buchs.

Zudem beauftragte Papst Urban VIII., eigentlich ein Gönner und großer Bewunderer Galileis, eine Kommission mit der Beurteilung des Buches. Diese beanstandete vor allem, dass das heliozentrische Weltbild (Sonne als das ruhende Zentrum des Universums) als „bewiesen“ dargestellt wurde.

Man hatte Galileo schon 1616 darüber belehrt, dass die Lehre des Copernikus, die im Widerspruch zur Heiligen Schrift stand, nur als Hypothese gelten dürfe. Und ihm war damals explizit verboten worden, diese Lehre zu verbreiten. G

Der Fall wurde nun dem Heiligen Offizium in die Hände gelegt, das den greisen Astronomen nach Rom lud.

Den Prozess gemacht

Am 12. April 1633 begann Galileis Inquisitionsprozess. Er wurde wegen „Copernicanismus“ angeklagt. Der italienische Mathematiker und Physiker Galileo Galilei wird am 22. Juni 1633 in Rom gezwungen, nach über 20-jähriger Auseinandersetzung mit der Inquisition der römisch-katholischen Kirche seinen angeblichen Irrlehren abzuschwören. Im Angesicht des Inquisitionstribunals schwor er mit den Worten ab: Galilei – der Querkopf

„Ich halte jene Meinung des COPERNIKUS nicht für wahr und habe sie nie für wahr gehalten.“

Mit dieser, unter der Androhung von Folter seitens des Gerichtes der „Heiligen Inquisition“, erzwungenen Notlüge rettete Galilei Leib und Leben vor dem Feuertod. Andererseits musste er seine wissenschaftlichen Überzeugungen opfern.

Sein Urteil, das allerdings nur sieben der zehn anwesenden Kardinäle unterschrieben hatten, lautete, Galilei sei „stark der Häresie verdächtig“ (Definition Häresie = verdammenswerte Meinung). Anstelle von Kerkerhaft durfte sich der Verurteilte nach kurzem Aufenthalt im Gefängnis von Siena schließlich auf seinen Landsitz nach Arcetri zurückziehen, war zum Schweigen verdammt und starb dort 1642. Noch Jahre nach seinem Tod brachte seine Lehre die Kirche in Aufregung. Erst um das Jahr 1757 wurde sie anerkannt. Galilei – der Querkopf

Querköpfe und deren Sonderbehandlung

Die Kirche verweigerte 1642 seine Bestattung in der Familiengruft und stimmte erst 100 Jahre später der Umbettung seiner sterblichen Überreste in ein Mausoleum zu. Weitere 100 Jahre dauerte es noch, bis die katholische Kirche auch sein „Buch“ aus der Liste der verbotenen Bücher herausstrich. Und rund 350 Jahre mussten insgesamt vergehen, ehe Papst Johannes Paul II. 1992 nach einer Überprüfung des Prozesses von 1633 die Rehabilitation GALILEIS anordnete.

Beim Fall Galilei sprach Papst Johannes Paul II:

„Es habe sich um ein schmerzliches Missverständnis zwischen Wissenschaft und Glauben gehandelt“.

Eine bemerkenswerte Geschichte – finden sie nicht auch? Eine Mehrheit hat ihn verurteilt! Diese Mehrheit wollte, konnte oder durfte nicht sehen, was er sah und auch bewies. Und hier ging es im Kern nicht um Recht haben oder nicht – es ging einfach um „das was wirklich ist“.

Ich denke die Geschichte von Galileo Galilei fordert mit Nachdruck dazu auf, vermehrt eine achtsame Haltung einzunehmen und weniger schnell zu urteilen oder gar zu verurteilen, denn die Folgen einer falschen Haltung können fatal sein.

Achtsam zu sein heißt: „Auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein, bewusst, im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen“. Das sagt Prof. Jon Kabat-Zinn – Achtsamkeitsexperte der ersten Stunde.

Sind sie schon achtsam? Falls nein, versuchen sie es doch mal.

Ihr Thomas Schönmetz