Autorin: Susanne Schönmetz • Dauer: 5 Minuten • 


Den Körper bewohnen. Den Körper spüren und wahrnehmen von innen und außen. Die Verbindung mit sich selbst, die Verbindung des Körpers zur Erde, den Körper im Raum, die Begrenzung nach außen und tief nach innen. Dafür nehmen wir uns in unserer Yogapraxis Zeit. Nicht wenige von uns erkennen dann, dass sie Teile des Körpers nicht spüren können, dass sie dagegen ein inneres Bild davon haben oder das Körperteil denken oder innerlich benennen.

Aktivitäten des Geistes

Kein Wunder, denn die meiste Zeit unseres Tages sind wir nicht im Körper verankert, wir sind in unserem Kopf gefangen. Wahrscheinlich besteht für die meisten Menschen ein ganz normaler Tag vor allem aus Denken, Lesen und Medienkonsum. Die Aktivität unseres Geistes ist oft ein Hindernis für Bewusstheit. Doch die Verbindung mit unserem Körper kann der Zugang zum Hier und Jetzt sein. Die körperlichen Empfindungen bilden einen Fokus um den zerstreuten Geist zu sammeln. Die Yogapraxis bringt uns vom Kopf in den Körper und der Körper ist immer im Hier und Jetzt. Den Körper bewohnen

Natürlich können wir auf verschiedenste Weise unseren Körper spüren und in den gegenwärtigen Moment kommen. Massagen, Tai Chi, Qigong, Tanzen oder Kampfsport bringen uns ebenfalls in unseren Körper. Dabei sollte natürlich nicht die sportliche, athletische und äußere Form der Übungen im Vordergrund stehen, sondern das innere Erleben.

Körper erfahren

Wenn wir Yoga üben sind wir es gewohnt den kleinen Details im Körper und dem Atem unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Wir erfahren unseren Körper in kraftvollen, dynamischen Asanas und in stillen und einfachen Bewegungen. Das Nachspüren ermöglicht uns neue Körpererfahrungen und angenehme Körpergefühle. Gleichzeitig bietet uns die Übungspraxis auch die Möglichkeit eigene Grenzen zu spüren. Es geht darum ein tieferes Verständnis vom Körper und der Persönlichkeit zu erlangen und darum wie sie miteinander in Verbindung treten. Dadurch entsteht neben der rein körperlichen auch eine meditative Erfahrung. Den Körper bewohnen

Verschlossene Räume

In der Tiefenentspannung wandert der Aufmerksamkeitsfokus bei kompletter Bewegungslosigkeit von den Sohlen der Füße bis zum Schädeldach und durch den ganzen Körper. Der Body Scan erlaubt uns die Empfindungen des Körpers in Zeitlupe zu spüren. Das gibt uns die Möglichkeit uns von innen zu spüren und verschlossene Räume zu erkunden. Das braucht Zeit und Wiederholung und nach und nach werden sich verschlossene Räume mit Empfindungsschätzen öffnen. Yoga erlaubt uns, unseren Körper kennenzulernen und anzufangen, ihn wirklich zu spüren.

Yoga bedeutet Verbindung – es versteht sich als Einladung mit sich selbst in Kontakt zu kommen. Achtsame Körperwahrnehmung bringt uns mit unserem Körper und seinem Innenleben in eine Verbindung. Wir gehen mit uns selbst eine Beziehung ein und entdecken unseren Körper. Wenn es uns gelingt ihn anzunehmen, mit all seinen Schmerzen, Verspannungen und Makeln, ganz so wie wir ihn in diesem Augenblick erleben, können wir ihn als einen sicheren Ort, als ein Zuhause erfahren, an dem wir Zuflucht finden, egal was im Außen los ist. Den Körper bewohnen

Kosha Modell

Das Kosha Modell der Yogatradition beschreibt die fünf Ebenen unseres Seins. Hier wird der physische Körper Annamaya Kosha genannt. Er wird als eine Dimension eines vielschichtigen Systems betrachtet. Durchdrungen von Pranamaya Kosha dem Energiekörper, von Manomaya Kosha dem mentalen und emotionalen Körper, von Vijnanamaya Kosha dem Weisheitskörper und Anandamaya Kosha, dem Körper der Glückseligkeit. Die einzelnen Koshas sind voneinander abhängig. Es handelt sich um ein subtiles Wechselspiel und um ein Aufeinander einwirken auf allen Ebenen. Unser Körper ist untrennbar mit dem Atem, mit dem Herz und Geist verbunden.

Negativspirale

Geist und Körper sind auch aus Sicht der modernen Wissenschaft untrennbar. Sie beeinflussen sich gegenseitig. Unsere Erfahrungen, Gedanken und Gefühle wirken auf unseren Körper und umgekehrt beeinflusst unser Körper unser Denken und unsere Wahrnehmung. Je nach Stimmungslage verändert sich unsere Körperhaltung, Mimik, Gestik und Anspannung. Sind wir traurig, sind hängende Schultern, ein gekrümmter Rücken und gesenkter Blick die körperlichen Anzeichen dafür. Die eingesunkene Haltung wiederum wirkt auf den Geist und wir denken automatisch negativ und werden pessimistisch. Ein Negativspirale entsteht. Den Körper bewohnen

Stimmungen

Sind wir dagegen gut gelaunt und fröhlich ist die Wirbelsäule gerade aufgerichtet, so können wir wieder tief durchatmen, das Kinn hebt sich und wir sind aufmerksamer. Das belebt und beflügelt das Denken und wir sind ruhiger, entspannter und gelassener. Das Ganze funktioniert auch umgekehrt. Wir können die Reihenfolge ändern und über unseren Körper unsere Stimmung beeinflussen. Wenn ich lächle – selbst wenn es nur ein künstliches Lächeln ist hellt sich meine Stimmung auf. Wenn unser Körper bestimmte Haltungen einnimmt, verändert dies die Stimmung und da bieten uns die Yogahaltungen viel Potential. Wir verwurzeln unsere Füße und erden uns, wir richten unsere Wirbelsäule auf, das Kinn hebt sich, wir weiten und öffnen unseren Herzraum und entspannen Schultern und Nacken. Wir bringen Bewegung und Atem ins Fließen und atmen tief in unseren Bauch. Den Körper bewohnen

Durch die Arbeit mit dem Körper wird eine Verbindung von körperlichen, emotionalen und geistigen Ebenen geschaffen. Wenn wir es gewohnt sind uns selbst zu erforschen, dann erkennen wir auch wie unser Körper auf die Erfahrungen im Außen reagiert. Ein negativer Gedanke oder eine traurige Nachricht und der Brustkorb verengt sich, im Bauch entsteht ein Knoten, die Schultern ziehen nach oben und die Gesichtsmuskulatur verkrampft. Natürlich auch umgekehrt, ein liebes Wort oder ein Lob und es entsteht ein wohliges Gefühl im Bauch oder bei Verliebtheit flattern die Schmetterlinge im Bauch.

Yogapraxis

Im Laufe unseres Lebens speichert unser Körper alle Erfahrungen ab und unterdrückte Emotionen aus der Vergangenheit schlummern in unserem Körper. Der Körper erinnert sich und so kann es vorkommen, dass während einer Massage oder unserer Yogapraxis Gefühle auftauchen, die wir der Situation gar nicht zuordnen können. Durch die Körperarbeit haben wir Schutzmechanismen aufgeweicht und urplötzlich fließen Tränen oder wir fühlen uns traurig. Unverarbeitete und ungefühlte im Körper eingesperrte Emotionen dürfen jetzt gefühlt und freigelassen werden.

Wann immer wir mit unserem intelligenten Körperbewusstsein in eine innige Verbindung kommen, können wir die Tür zu einer tieferen und empfindsameren Verbundenheit zu allen Ebenen unseres Seins öffnen.

Ihre Susanne Schönmetz