Autorin: Susanne Holst-Franke • Dauer: 6 Minuten • 


Konformität. Vor ein paar Tagen fiel mir, im Zuge meiner Arbeit, das Experiment des Psychologen Salomon Asch in die Hände. In diesem Experiment von 1951 ging es um Konformität und in diesem Zusammenhang um Wahrnehmung. Mein Interesse war augenblicklich geweckt – aus beruflichen und privaten Gründen. Weil es ein brandaktuelles Thema ist und weil es eben um Wahrnehmung, die wir in der Meditation immer wieder aufs Neue schulen, geht.

Wahrnehmen

Wahrnehmen. Den Atem wahrnehmen. Ohne zu bewerten. Unsere Gedanken wahrnehmen, ohne sie zu bewerten oder gar auf sie einzusteigen. Gefühle und Körperempfindungen wahrnehmen. Und dann sehe ich plötzlich etwas über Wahrnehmungsanpassung. Wahrnehmungsanpassung?  Aber nun erstmal zum besagten Experiment. Konformität

Das Experiment von Salomon Asch

An einem langen Konferenztisch saß eine Gruppe von vielleicht 8 oder 10 Personen. Der Versuchsperson wurde mitgeteilt, dass es sich bei den Anwesenden um weitere freiwillige Teilnehmer des Experiments handele. Die Testperson wusste also nicht, dass alle Personen, auch der Versuchsleiter, in das Experiment eingeweiht waren. Konformität

Auf einer Karte wurde der Gruppe eine Linie dargeboten, die sogenannte Referenzlinie. Neben dieser Referenzlinie, mit ein bisschen Abstand, wurden drei weitere, unterschiedlich lange, Linien gezeigt. Die Aufgabe bestand darin, zu taxieren, welche der drei Vergleichslinien so lang wie die Referenzlinie war. Bei jedem der Durchgänge war eine Linie gleich lang wie die Referenzlinie.

Da dies auch deutlich erkennbar war, kam es beim Experiment in der Kontrollgruppe kaum zu Fehleinschätzungen(1%!) der Testperson. In der Kontrollgruppe sollten die eingeweihten Testpersonen natürlich ihre echte Einschätzung abgeben. In der Experimentalgruppe fanden 18 Schätzungen statt. Um ihre Glaubwürdigkeit nicht sofort einzubüßen, waren die eingeweihten Testpersonen instruiert, bei einem Drittel der Durchläufe ein richtiges Urteil abzugeben. Bei den anderen 12 Durchläufen sollten die Vertrauten EINSTIMMIG ein falsches Urteil abgeben.

Trotz offensichtlicher Fehleinschätzungen der Gruppe, passten sich die Testpersonen bei einem Drittel der Durchläufe an diese falsche Einschätzung der Gruppe an. Lediglich ein Viertel aller Versuchspersonen blieb unbeeinflusst und machten auch in den 12 manipulierten Durchläufen keine Fehler. Konformität

Fast 80% der Testpersonen passten sich mindestens einmal dem falschen Urteil der Gruppe an. Dieses Experiment wurde in späteren Jahren immer wieder durchgeführt und auch leicht verändert. Es zeigte sich unter anderem, dass je größer die Gruppe der Teilnehmer war, desto schneller passten sich die Testpersonen der Einschätzung der Gruppe an. Das Asch-Experiment zeigte deutlich, wie Testpersonen ihre Wahrnehmung anpassten, um mit den Urteilen der Gruppe konform zu gehen.

Vertrauensverlust

Ich habe mir, wie gesagt, das Experiment angeschaut und war wirklich überrascht, wie wenig die Testpersonen letztendlich auf ihre eigene Wahrnehmung vertrauten. Das Experiment zeigte auch, dass eine Minderheitsmeinung schwierig zu halten ist. In Zeiten der Digitalisierung ist der Druck einer Gruppe oder Mehrheit, glaube ich, nochmal deutlich größer. Der Mainstream-Meinung oder Idee passen sich die meisten bevorzugt an. Ob das immer so positiv ist, sei dahingestellt! Konformität

Ich erlebe es täglich

In meiner Praxis kann ich immer wieder beobachten, dass zum Beispiel Mitarbeiter, die nicht gehört oder wahrgenommen werden und sich mit ihren eigenen Ideen und Überzeugungen nicht einbringen können, früher oder später unter akuten Stresssymptomen leiden. Ist dies über Monate oder gar Jahre der Fall, so verlieren die Mitarbeiter nicht nur ihre Motivation, sondern erschöpfen zunehmend. Zu beobachten ist dies auch bei Mitarbeitern, die entgegen ihrer eigenen Überzeugung, ihre Meinung und ihr Verhalten an das des Unternehmens anpassen.

Achtsamkeit kann helfen

Indem der Mitarbeiter also über einen längeren Zeitraum gegen seine eigenen Überzeugungen handelt, wir nennen das „kognitive Dissonanz“, lebt und arbeitet er im Dauerstress. Die Folge ist häufig ein Erschöpfungssyndrom, das komplette Ausbrennen. Um dies zu verhindern, ist es notwendiger denn je zuvor, die eigene Wahrnehmung zu schulen, unseren Geist zu beruhigen.
Dies können wir am einfachsten in der Meditation praktizieren. Wir üben dort, wahrzunehmen, ohne zu bewerten, beobachten, ohne etwas verändern zu wollen. Meditieren, das Schulen der Achtsamkeit, ist immer wieder eine hilfreiche Möglichkeit, bei uns selbst und unserer eignen Wahrnehmung anzukommen und ihr wieder Vertrauen zu schenken. Konformität

Ihre Susanne Holst-Franke