Autorin: Antje Künstle • Dauer: 4 Minuten • 


Sehnsucht nach Stille. Ich bin ein Novemberkind. So sehr ich die Sonne und den Sommer mag, aber wenn es draußen neblig und ungemütlich wird kann man sich wunderbar nach innen zurückziehen, sich wieder selbst nahe sein.

Nur dieses Jahr funktioniert das nicht. Es ist zu warm, fast noch sommerlich. Das schöne Wetter muss man ausnutzen und draußen verbringen. Tag für Tag, es könnte ja der letzte warme Tag vor dem unbeständigen Herbst sein. Und genau das ist auf Dauer anstrengend.

Angst vs. Sehnsucht

Es ist die Angst, etwas zu verpassen oder zu bereuen. Mittlerweile ist es November geworden. In mir zeigt sich allmählich eine Sehnsucht. Eine Sehnsucht nach Dunkelheit, nach stillen Tagen, die ohne Termine und Events vorbeiziehen. Wo man sich dem sinnieren hingeben kann. Sehnsucht nach Einkehr, das äußere, hektische Treiben sein lassen. Eigentlich sollte es die Natur vormachen, sich zurückziehen um in der Tiefe wieder Kraft zu sammeln. Aber die Bäume treiben aus, fangen teilweise sogar wieder zum Blühen an, die Wiesen sind grüner denn je und die Vögel zwitschern wie im Frühling. Sehnsucht nach Stille

Viele sagen: Freu dich doch! Der schöne, milde Herbst ist eine Entschädigung für die vielen Entbehrungen, die wir in der vergangenen Zeit hatten. Selbstverständlich genieße auch ich die Wärme und die Sonne. Und doch spüre ich, jetzt ist eigentlich was ganz anderes dran.

Samhain, der keltische Begriff für den Beginn der dunkle Jahreszeit. Es geht um den Tod, das Trauern, das Loslassen. Der Vergänglichkeit Raum geben. Stirb und werde, ist ein Prozess der wichtig ist. Doch wir haben den Tod aus unserem Leben verbannt, das Loslassen verlernt und rennen lieber atemlos von einem Termin zum nächsten. Sehnsucht nach Stille

Überholspur

Wir leben auf der Überholspur und wollen nicht ausgebremst werden. Keine Zeit, um Inne zu halten und zu reflektieren. Wobei genau darin doch so viel Heilsames liegt. Zeit mit mir, allein sein, mich zurückziehen, um mich selbst zu finden. Sich der eigenen Vergänglichkeit bewusst werden. Mich mit meinen Schattenthemen auseinander setzen. Zeit die Ahnen zu würdigen, sich anderen Dimensionen öffnen und bereit sein für neue, tiefere Erkenntnisse, alte Schichten wie eine nutzlos gewordene Haut abstreifen, und neu auferstehen. Sehnsucht nach Stille

Für all das braucht es Raum und Stille. Die Stille ist die Grundlage jeder Meditation. Der Eingang zur Wirklichkeit unseres inneren Wesens.

Nehmen wir uns ganz bewusst die Zeit dafür? Es lohnt sich.

„Und solang Du das nicht hast, dieses stirb und werde, bist Du nur ein trüber Gast auf dieser Erde.“
Johann Wolfgang von Goethe

Ihre Antje Künstle